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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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gehen.

    Sie hatten lange nicht mehr miteinander gesprochen, auch
wegen des Abstands, den Teddy zwischen sich und den Reporter gelaufen hatte,
als der Bärenflüsterer anhielt und wartete. Hannes hörte auf zu summen und
schloss auf.

    »Da drinnen ist mein Camp.« Teddy wies mit dem Kopf auf
eine Fichtendickung. Die Bäume standen an die fünf Meter hoch und so dicht
beieinander wie Haare auf dem Hund. Eine grüne Wand, die keines Menschen Hand errichtet
hatte. Anders als in den preußischen Forsten, in denen Schreiber zu jagen
pflegte, wuchsen die Fichten hier nicht in Reih und Glied. Das lag nicht an
mangelndem Ordnungssinn rumänischer Förster. Die Bäumchen hatten sich selbst
angesiedelt. Naturverjüngung nannte man so etwas in Deutschland und freute sich
über die eingesparten Pflanzkosten. Auf Drückjagden war Hannes manchmal als
Treiberschütze in solchen Verhauen unterwegs. An Regentagen war das die Hölle,
aber in den Karpaten hatte es seit einigen Tagen nicht mehr geregnet.

    Teddy führte ihn etwa fünfzig Meter an der Wand entlang,
bis sie auf eine Art Tunnel stießen, der einen Meter breit und brusthoch in die
Dickung führte. Schreiber sah sich den Boden an und staunte. Die Fährte war
nicht besonders frisch, aber dass hier ein Petz seinen Wechsel hatte und kein
besonders großes Wildschwein, verrieten die punktförmigen Vertiefungen, die die
Krallen im Waldboden hinterlassen hatten.

    Hannes fasste es nicht. »Sie werden doch nicht auf einem
Bärenwechsel campen?«

    Teddy grinste. »Haben Sie Angst?«

    »Vergleichsweise wenig. Aber lebensmüde bin ich nicht.«

    »Wir benutzen den Wechsel nur, um ein Stück weit reinzukommen.
Nach zwanzig Metern verlassen wir ihn wieder. Die Dickung ist groß.«

    Ohne eine Antwort abzuwarten, bückte sich Teddy und
verschwand im Verhau. In der Hüfte abgeknickt, die Hände auf den Oberschenkeln
abgestützt, das Knie gebeugt, watschelte Schreiber hinterher. Das Grün der
Randfichten verlor sich sofort. Im Bestand herrschte das Braun verdorrter Äste
und abgefallener Nadeln. Es ging sich wie auf dicken Teppichen. Hätte er sich
aufrichten können, wäre es angenehm gewesen, durch den Tunnel zu laufen.
Abgesehen von der Möglichkeit, jeden Augenblick in einen Bären zu rennen.

    Bei Herrero hatte Hannes gelesen, die sicherste Art,
Bärenattacken auszulösen, sei eine überraschende Begegnung im Unterholz. Und
der beste Schutz ein Begleiter, der langsamer laufen könne als man selbst.
Teddy war zwar deutlich schneller als Schreiber, aber weil er vor ihm herging,
bekäme er es als Erster mit dem Bären zu tun. Schreiber fand das gerecht.

    Nach zwanzig Metern, die ihm wie fünfzig vorkamen, sah
Hannes Teddy links zwischen den Stämmen verschwinden. Er hastete hinterher.
Dies war kein guter Ort, um den Anschluss zu verlieren. Vom Bärenwechsel
zweigte ein schmaler Pfad ab. Man sah, dass er mit einer Astschere freigeschnitten
worden war, und zwar deutlich höher als der tierische Tunnel. Der Pfad
schlängelte sich durch das Fichtenlabyrinth wie ein Furz durchs Taschentuch.
Teddy ging wenige Schritte vor ihm, aber Schreiber sah ihn kaum. Obwohl er über
Wurzeln stolperte, Äste sein Gesicht polierten und sein verdammter Rucksack
immer wieder irgendwo hängen blieb, war Hannes froh über jeden Meter, den er
zwischen sich und den Wechsel legte. Am Ende mochten zweihundert
zusammengekommen sein.

    Von einem Schritt zum nächsten stand Schreiber in einer
Höhle, deren Boden, die Wände und sogar die Decke aus Fichten bestanden. Teddy
hatte einen vier mal vier Meter großen Raum in die Dickung geschlagen. Hier und
da war eine Fichte stehen geblieben. Ihre Spitzen bildeten ein Dach, das das
Camp gegen Regen und Sicht aus der Luft schützte. Aus den Stämmen ragten
Aststummel, die als Kleiderhaken dienten. Hannes sah eine Goretexjacke in
Olivgrün daran hängen. Es gab noch eine Camouflagehose und ein Hemd zum
Wechseln am Baum. Seine Funktionsunterwäsche und die Wandersocken bewahrte
Teddy in einer Art Regal auf, das er aus den Stämmen der gefällten Bäume gezimmert
hatte. Aus demselben Material bestanden auch eine kleine Bank und der Tisch
davor.

    »Respekt.« Schreiber meinte es ehrlich.

    Teddy brummelte Unverständliches und hängte seinen
Rucksack an den Haken. »Sie können Ihren da vorn hinhängen.«

    Schreiber tat, wie ihm geheißen. Er setzte sich vorsichtig
auf das Bänkchen, lockerte die Schnürriemen seiner Wanderschuhe, streckte die
Beine aus und seufzte. Dies

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