Das Karpaten-Projekt
ins
Stolpern geriet. Schließlich setzte er sich in den Sessel gegenüber, damit
Diana ihn wahrnehmen musste. Sie hatte keine Lust dazu, stand auf und ging,
Handy am Ohr, Geschwätz auf der Zunge, aus dem Raum. Als sie nach zehn Minuten
noch nicht zurück war, stiefelte Hannes hinterher.
Draußen auf der Koppel grasten ihre Pferde. Mit
peitschendem Schwanz vertrieb die Königin von Saba Fliegen von ihrem
Milchkaffeefell. Diana stand auf dem Paddock und sah ihr zu. Sie telefonierte
nicht mehr.
»Sie haben Besuch, Frau Steinkamp«, sagte Schreiber.
»Wen?«
»Mich.«
Die Jungunternehmerin warf ihm unter hochgezogenen Brauen
einen Blick zu. Die Winkel ihres Mundes zeigten zu Boden. »Hat Ihr Chef Sie
zurückgeschickt?«, fragte sie. »Wirklich sehen wollte er Sie doch nicht.«
»Sie sind gut informiert.«
»Und Sie haben mich von Anfang an unterschätzt.«
»Aber ich bin lernfähig.«
»So?«
»Ja. Ich weiß inzwischen, wozu die ganze Nummer mit
Sebastian Sellemerten dienen soll.«
Die Steinkamp zeigte ihre Überraschung nicht. »Wozu denn?«,
fragte sie uninteressiert und betrachtete das Display ihres Mobiltelefons, als
stände die Antwort dort schwarz auf blau.
»Sie wollen weg mit der Produktion aus Rumänien. Nach
Vietnam, habe ich gehört. Da kommt Ihnen ein Krach mit den Rumänen wegen der Bären
gerade recht. In Deutschland können Sie den als gute Ökotat verkaufen und
gleichzeitig Ihre neuen Outdoorschuhe pushen. Bearstone klingt ein bisschen zu sehr nach Wolfskin, wenn Sie mich fragen. Aber mich fragen Sie ja nicht. Mit
mir sind Sie an den Falschen geraten, Frau Steinkamp. Für Schmierengeschichten
wie die Ihre stehe ich nicht zur Verfügung.«
»Weiß Ihr Chefredakteur das schon?« Diana Steinkamp
fixierte Schreiber mit einem Grinsen.
»Nein. Aber er wird es früh genug erfahren.«
»Darauf können Sie sich verlassen.« Ihre Augen, deren
Farbe Schreiber stets undefinierbar erschienen war, leuch-teten giftgrün,
jedenfalls glaubte er das. Wahrscheinlich lag es an der Abendsonne, die mit
einem letzten strahlenden Kraftakt hinter den Kalkwänden des Königsteins
versank.
»Wollen Sie mir drohen, Frau Steinkamp?«
»Wie könnte ich kleine Frau einem so großen Reporter
drohen?«
»Mir kommen die Tränen.« Hannes hatte genug von dieser
Frau. Diana Steinkamp war genau die Sorte Reiche-Leute-Kind, auf die ein Mann
seiner Herkunft mit Ausschlag reagierte. Der alte Steinkamp fiel ihm ein.
Früher oder später musste der sein Lebenswerk an diese Tochter abgeben. Der
Mann tat ihm leid.
Schreiber schaltete einen Gang zurück. Einschüchtern ließ
sich Diana ohnehin nicht. »Wir sollten vernünftig miteinander reden«, sagte er.
Die Steinkamp antwortete nicht.
»Ich muss mit Teddy sprechen.«
»Worüber?«
»Über den Mord am Forstamtsleiter von Brasov.«
»Was hat Teddy damit zu tun?«
»Genau das will ich ihn fragen.«
Diana schnaubte. Ihre Lippen flapperten wie die ihrer
Stute. »Sie waren mit ihm zusammen in der Nacht, als es passierte.«
»Ein paar Minuten bevor der Schuss fiel, habe ich Teddy
verloren. Er hat einen anderen Fluchtweg genommen als ich. Das habe ich Ihnen
schon erzählt.«
»Und jetzt glauben Sie, er war’s?«
»Ich versuche, so wenig wie möglich zu glauben. Ich
möchte es wissen.«
»Warum eigentlich? Für Sie hat sich die Sache mit Teddy
und mir doch erledigt.« Die Steinkamp versuchte, Hannes nachzuäffen. Weil sie
aus Gelsenkirchen kam und er aus Wattenscheid, gelang ihr das gut. »Für Ihre
Schmierengeschichte stehe ich nicht zur Verfügung«, schreiberte sie. Und dann,
wieder normal: »Was wollen Sie eigentlich noch hier in Rumänien?«
Der Reporter verdrehte die Augen. »Ich bitte um Ihre
Hilfe, Frau Steinkamp. Die Polizei hat jemand anderen für den Mord
eingebuchtet. Eine Biologin aus Deutschland, die sich um die Müllbären in Brasov
kümmert. Ich nehme an, die Polizei vermutet eine Beziehung zwischen ihr und
Teddy und will sie im Knast weichkochen. Wenn Teddy sich stellt, kommt die Frau
wahrscheinlich frei.«
»Aber Teddy hat den Forstamtsleiter nicht erschossen.«
»Umso besser.«
Die Sonne war hinter dem Königstein verschwunden. Nur der
kahle Gipfel seines großen Bruders, des Bucegi, glühte weiter östlich noch in
ihrem letzten Licht. Der Wind frischte auf, Diana Steinkamp fröstelte in ihrer
Sommerbluse. Schreiber sah die Gänsehaut auf ihren Armen.
»Warum stellen Sie sich eigentlich nicht?«, fragte sie in
den
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