Das Karpaten-Projekt
erscheinen.
»Ich bitte Sie um nichts anderes, als sich für eine
deutsche Staatsangehörige einzusetzen, die hier unschuldig im Knast sitzt. Wo
sehen Sie da Tretminen?«
Becker lächelte fein. »In Berlin, Herr Schreiber, nicht
hier.« Der Diplomat machte eine kleine Pause und genoss den Anblick des dummen
Gesichts, das Hannes gerade machte. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist ›off the
records‹. Wenn ich Ihnen helfen soll, behalten Sie es besser für sich.« Er
strich sich die Haare aus der Stirn. »Die Kandidatin, von der alle annehmen,
dass sie die nächste Kanzlerin wird, ist in den Fall involviert. Und die Frau,
die vielleicht Deutschlands nächste Umweltministerin wird, hält ihre Hand über
diesen Menschen, den Sie den Bärenflüsterer nennen. Er begeht hier Straftaten,
indem er die Fütterungen vergällt, und mit dem Mord am Forstamtsleiter könnte
er auch zu tun haben. Wenn die Beziehung zwischen diesem Teddy und der
deutschen Politik hier in Rumänien bekannt wird, habe ich ein Problem, Herr
Schreiber.«
Natürlich hatte der Mann recht. Hannes ärgerte sich, dass
er nicht selbst darauf gekommen war. Als Politikjournalist war er tatsächlich
eine Fehlbesetzung. Dieses Um-die-Ecke-Denken und Über-Bande-Spielen würde ihm
immer fremd bleiben.
»Ich kann Ihre Überlegungen verstehen, Herr Botschafter,
folgen kann ich ihnen nicht«, sagte er scharf. »Wollen Sie eine junge Frau im
Knast schmoren lassen, aus Angst, sich bei Ihrer künftigen Regierung unbeliebt
zu machen? Einer Regierung, die noch gar nicht gewählt ist? Oder wissen Sie
schon, wer der nächste Außenminister wird? Dann können wir uns das Wählen ja
schenken.« Zum Glück merkte Schreiber noch rechtzeitig, dass er sich in Rage
redete. Am liebsten hätte er dem Botschafter an den Kopf geworfen, dass es in
puncto Außenminister schlimmer kaum kommen könne. Vom Straßenkämpfer zum
Friedensbewegten zum Balkankrieger, was für eine Karriere! Hannes würgte seinen
Hass hinunter und hielt den Mund.
»Gemach.« Becker knipste wieder das Lächeln an, das sie
ihm in der Diplomatenschule beigebracht hatten. »Wer sagt denn, dass ich nichts
für Ihren«, an dieser Stelle zögerte der Botschafter ganz kurz, »Schützling tun
will? Wir werden uns des Falles annehmen, so wie wir es immer tun. Ich schicke
jemanden, der Frau Orend im Gefängnis besucht. Wir besorgen ihr einen Strafverteidiger
und benachrichtigen ihre Angehörigen in Deutschland, falls sie das wünscht. Aus
dem Ermittlungsverfahren halten wir uns allerdings heraus. Das ist nicht unsere
Aufgabe als Botschaft. Und was die Politik angeht, Herr Schreiber, Sie kennen
sich in Berlin doch besser aus als ich. Sie werden Ihre Connections haben,
nicht wahr?«
Hannes nickte Zustimmung, obwohl ihm auf die Schnelle
niemand einfiel.
»Eine Frage habe ich noch.« Sie waren fast wieder am
Ausgangspunkt ihres Geschlenders angekommen. Der Botschafter wartete auf das
Ende der Autoschlange, um über die Straße zu kommen. »Hat man Sie irgendwann
mit diesem Teddy zusammen beobachtet?«
Hannes fiel der Ort ein, den er bei sich Golgatha genannt
hatte, und die Bewegung der Gardine am Fenster des Hochsitzes. In der folgenden
Nacht waren sie in Teddys Camp aufgestöbert worden. Es sprach einiges dafür,
dass die Förster sie schon tagsüber beobachtet hatten. »Gut möglich«, sagte er.
Becker fasste ihm vertraulich an den Unterarm. »Dann
empfehle ich Ihnen, Rumänien zu verlassen. Mit dem Einsperren sind sie hier
noch flott bei der Hand, wie Sie an Frau Orend sehen konnten.«
Diesmal versuchte sich Schreiber an dem Lächeln, das der
Botschafter so gut beherrschte. »Sie glauben doch nicht, dass ich mich in Sicherheit
bringe und Katharina hier im Knast sitzen lasse?«
»Es war nur ein Rat, Herr Schreiber, mehr nicht. Es hat
mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
24
Oben in Ma gura,
auf tausend Metern Höhe, unter dem Wind, der am Kamm des Königstein-Massivs
entlangstrich, war es schön kühl. Das Klima in der Villa Diana konnte man
getrost frostig nennen. Diana Steinkamp lümmelte telefonierend auf ihrem Sofa
und beachtete Schreib er nicht. Sie schwatzte mit einer Freundin namens
Cynthia über Partys in Manhattan, wer da gewesen sei und vor allem mit wem. Das
Englische floss ihr fehlerfrei von den Lippen, es klang nach New York, nicht
nach Gelsenkirchen. Schreiber hörte es sich eine Zeit lang an, registrierte
neidvoll, dass Dianas Zunge beim c und th von ›Cynthia‹ nicht einmal
Weitere Kostenlose Bücher