Das Karpatenschloß
gewesen sein, der in den walachischen
Sagen so vielfach gefeiert wird und der zu Curté d’Argis das
berühmte Schloß Rudolphs des Schwarzen erbaut hat.
Herrschen also Zweifel bezüglich der Architekten, so
ist das doch nicht der Fall bezüglich der Familie, die diese
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Burg besaß. Die Barone von Gortz waren schon seit undenk-
lichen Zeiten die Herren des Landes gewesen. Sie kämpften
wacker mit in allen Kriegen, die die transsilvanischen Pro-
vinzen mit Blut düngten, und schlugen sich gegen die Un-
garn, die Sachsen und die Szekler; ihr Name erklingt in den
»Cantices«, den »Doïnes« (Volksliedern), in denen das An-
denken an jene traurigen Zeiten fortlebt; sie führten als De-
vise das berühmte walachische Sprichwort: Da pe maorte,
»gib bis zum Tod!« Und sie »gaben« immer, sie vergossen
ihr Blut für die Sache der Unabhängigkeit – das Blut, das
von den römischen Ahnen her in ihren Adern strömte.
Bekanntlich blieben alle Anstrengungen, alle Opfer er-
folglos. Die Nachkommen jenes tapferen Volkes verfielen
mehr und mehr unwürdiger Unterjochung. Jetzt haben sie
keine politische Selbständigkeit mehr, drei schwere Nie-
derlagen haben sie vernichtet. Die Walachen Transsilvani-
ens (Siebenbürgens) verzweifeln aber noch immer nicht,
das heutige Joch einst wieder abzuschütteln. Die Zukunft
gehört ihnen, und mit unerschütterlichem Vertrauen wie-
derholen sie die Worte, in denen sich ihr Leben und Stre-
ben zusammendrängt: Rôman on péré! »Der Rumäne kann
nicht untergehen!«
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war der letzte Re-
präsentant der Herren von Gortz der Baron Rudolph. Im
Karpatenschloß geboren, hatte er schon in zarter Jugend
seine Familie rings um sich absterben sehen. Mit 22 Jah-
ren stand er allein in der Welt. Alle seine Angehörigen wa-
ren Jahr für Jahr dahingegangen ... abgefallen wie die Äste
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der Schicksalsbuche, mit der der volkstümliche Aberglaube
auch den Bestand der Burg selbst verknüpfte. Was sollte
nun der Baron Rudolph – ohne Eltern, ja sogar ohne Ver-
wandte – beginnen, um die Muße der drückenden Einsam-
keit auszufüllen, die der Tod um ihn geschaffen hatte? Sei-
nen Geschmack, seine Neigungen und Fähigkeiten hätte
schwerlich jemand bestimmt erkennen können, außer daß
der junge Mann eine unwiderstehliche Leidenschaft für die
Musik an den Tag legte, und vor allem für den Gesang der
hervorragenden Künstler seiner Zeit. So überließ er das
schon stark verfallene Schloß eines Tages der Pflege einiger
alter Diener und ... verschwand. Später vernahm man von
ihm nur, daß er sein übrigens sehr beträchtliches Vermö-
gen dazu verwendete, die berühmtesten Musikstädte Euro-
pas und die Theater Deutschlands, Frankreichs und Italiens
zu besuchen, wo er seinen unersättlichen Dilettantenträu-
mereien genüge tun konnte. War er nur ein exzentrischer
Charakter oder ein halb Geisteskranker? Seine seltsame Le-
bensführung hätte fast das Letztere vermuten lassen.
Immerhin erlosch die Erinnerung an die Heimat keines-
wegs im Herzen des jungen Baron Rudolph von Gortz. Auch
auf seinen weitausgedehnten Reisen hatte er das transsilva-
nische Vaterland nicht vergessen, so daß er sogar an einer
jener blutigen Empörungen der rumänischen Bauern gegen
die ungarischen Unterdrücker persönlich teilnahm.
Die Nachkommen der alten Dacier wurden besiegt und
ihr Gebiet fiel den Siegern zur Beute.
Infolge dieser Niederlage verließ der Baron Rudolph end-
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gültig das Schloß seiner Väter, von dem übrigens einzelne
Teile schon in Trümmer fielen. Der Schnitter Tod beraubte
die Burg auch bald ihrer letzten Hüter, und so stand sie seit-
dem völlig vereinsamt. Was den Baron Gortz betraf, so ging
das Gerücht, daß er sich aus Patriotismus dem berüchtigten
Rosza Sandor, einem früheren Straßenräuber, angeschlos-
sen habe, aus dem der Unabhängigkeitskampf übrigens ei-
nen Bühnenhelden gemacht hatte. Zum Glück trennte sich
Rudolph von Gortz nach Beendigung des Kampfes von den
Genossen des übel beleumundeten »Betyar«, und daran tat
er klug, denn der alte Wegelagerer, der wieder zum Anfüh-
rer einer Diebesbande geworden war, fiel schließlich in die
Hände der Polizei, die sich damit begnügte, ihn in Szamos-
Uyvar einzukerkern.
Daneben blieb im Komitat auch noch die allgemein ge-
glaubte Sage verbreitet, daß Rudolph von Gortz bei einem
Zusammentreffen von
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