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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Rosza Sandor mit den Zollwächtern
    der Grenze getötet worden sei.
    Das war jedoch ein Irrtum, obgleich sich der Baron von
    Gortz seit jener Zeit niemals wieder in der Burg gezeigt
    hatte und deshalb jedermann an seinen Tod glaubte. Was
    sich eine so abergläubische Bevölkerung wie die hiesige in
    die Ohren raunt, darf man eben immer nur mit starkem
    Zweifel hinnehmen.
    Ein verlassenes, ein verzaubertes, von Geistern heimge-
    suchtes Schloß! Die glühend lebhafte Einbildungskraft der
    Leute hat es gar bald mit Trugbildern bevölkert; da erschei-
    nen Gespenster und kehren zu nächtlicher Stunde die Geis-
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    ter der Abgeschiedenen ein. Ganz ähnlich geht es ja auch
    in anderen abergläubischen Landstrichen Europas noch zu,
    Transsilvanien kann unter diesen aber entschieden den ers-
    ten Rang beanspruchen.
    Wie hätte auch die Dorfschaft Werst mit dem Glauben
    an die übersinnliche Welt brechen können! Der Pope und
    der Schullehrer, dieser mit der Erziehung der Kinder, jener
    mit der religiösen Fürsorge für die Gläubigen betraut, lehr-
    ten jene Fabeln desto unbedenklicher, als sie selbst daran
    glaubten. Sie versicherten »unter Beibringung von Bewei-
    sen«, daß noch Werwölfe im Land hausten, daß Vampire,
    Stryges genannt, weil sie Schreie wie die Strygien ausstoßen,
    sich von Menschenblut ernährten; daß »Staffii« durch die
    Ruinen streichen und allerlei Übel verbreiteten, wenn man
    es unterließ, ihnen jeden Abend Speise und Trank anzu-
    bieten. Da gibt es Feen, »Babes«, denen man dienstags und
    freitags – den beiden Unglückstagen der Woche – nicht be-
    gegnen darf. Nun wage sich nur einer in tiefere Wälder des
    Komitats, in jene verhexten Wälder, in denen die »Balauri«
    lauern, jene riesigen Drachen, deren Kinnladen sich bis zu
    den Wolken hinauf öffnen, oder die »Zmei« mit unmäßig
    großen Flügeln, die die Königstöchter und auch Mädchen
    geringer Herkunft entführen, wenn diese nur hübsch sind.
    Hier schwärmt also eine Menge furchtbarer Geschöpfe um-
    her, denen die Einbildung des Volkes keinen anderen Helfer
    entgegenzustellen weiß, als die »Serpi de casa«, die Haus-
    schlange, die vertraulich am häuslichen Herd lebt und de-
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    ren heilsamen Einfluß sich der Bauer dadurch erkauft, daß
    er sie mit seiner besten Milch füttert.
    War nun jemals eine Burg geeignet, solchen Wesen der
    rumänischen Mythologie als Zuflucht zu dienen, so war es
    gewiß das Karpatenschloß.
    Auf dieser vereinsamten Hochebene, die außer von der
    linken Seite des oberen Teils des Vulcan ganz unzugänglich
    war, mußten ja nach Anschauung der Leute Drachen, Feen,
    Stryges, vielleicht auch verschiedene Schatten aus der Fa-
    milie der Barone von Gortz ihr Wesen treiben. Daher stand
    die Burg in ganz üblem Ansehen und das, wie man sagte,
    mit vollem Recht. Kein Mensch hätte es gewagt, sie zu be-
    suchen. Sie verbreitete eine Art epidemisches Entsetzen um
    sich, wie ein ungesunder Morast, der pestilenzialische Mi-
    asmen aushaucht. Schon wer sich ihr auf eine Viertelmeile
    näherte, setzte damit sein Leben in dieser und sein Seelen-
    heil in jener Welt aufs Spiel. Solche Lehren gingen aus der
    Schule des Magisters Hermod hervor.
    All das sollte allerdings ein Ende nehmen, wenn von der
    alten Feste der Barone von Gortz kein Stein mehr auf dem
    andern lag – und hier knüpfte eben die Legende an.
    Nach Aussage der angesehensten Leute von Werst hing
    der Bestand der Burg mit dem einer uralten Buche zusam-
    men, deren Astwerk über die Winkelbastion zur Rechten
    des mittleren Walls emporstarrte.
    Seit der Abreise des Baron Rudolph von Gortz verlor
    diese Buche – die Dorfbewohner und vor allem der Schäfer
    Frik hatten es beobachtet – jedes Jahr einen ihrer Hauptäste.

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    Man hatte davon 18 vom Stamm aus gezählt, als der Baron
    Rudolph zum letzten Mal auf der Plattform des Turms zu
    sehen gewesen war, und jetzt trug der Baum nur noch drei.
    Jeder abgefallene Ast bedeutete nun für die Burg ein weite-
    res abgelaufenes Jahr ihres Bestands; das Niederbrechen des
    letzten sollte der allgemeinen Annahme nach ihre völlige
    Vernichtung herbeiführen; dann würde man auf dem Pla-
    teau von Orgall vergeblich nach den Überresten des Karpa-
    tenschlosses suchen.
    Natürlich war das nur eine der Sagen, die von der Phan-
    tasie der Rumänen selbst zahlreich geboren wurden. Sogar
    die Behauptung, daß die alte Buche alljährlich einen ihrer
    Äste verliere, war

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