Das Karpatenschloß
noch lebe,
daß er nicht ein Opfer dieser Katastrophe geworden sei;
schwere Tränen rollten über seine Wangen herab, und Nic
Deck vermochte ihn nicht zu beruhigen.
Nach halbstündigem Suchen wurde der junge Graf je-
doch im ersten Stockwerk des Turms unter einem De-
ckenbogen gefunden, der ihn vor dem Erdrücktwerden ge-
schützt hatte.
»Mein Herr, mein armer Herr!«
»Herr Graf !«
Das waren die ersten Worte, die Rotzko und Nic Deck
ausstießen, als sie sich über Franz neigten. Sie mußten ihn
für tot halten, während er nur bewußtlos war.
Nic Deck, der den jungen Grafen aufgehoben hatte,
sprach noch auf ihn ein, erhielt aber keine Antwort.
Nur die letzten Worte der Sängerin entschlüpften den
bleichen Lippen des so wunderbar Geretteten, die Worte:
Innamorata ...
Voglio morire ...
Franz von Telek war dem Wahnsinn verfallen.
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18
Da der junge Graf den Verstand verloren hatte, würde kaum
jemand über die letzten Vorgänge, deren Schauplatz das
Karpatenschloß gewesen war, Aufschluß erhalten haben,
ohne die Untersuchung, die unter folgenden Verhältnissen
schon nach kurzer Zeit stattfand:
Nach Verabredung hatte Orfanik, und zwar 4 Tage lang,
in Bistritz gewartet, daß sich der Baron von Gortz dort ein-
stellen würde. Als er nicht kam, sagte er sich, daß sein Gön-
ner bei der Explosion wohl umgekommen sein mochte. Von
Neugier wie von Unruhe gleichermaßen getrieben, hatte er
das Städtchen Bistritz verlassen und sich nach Werst bege-
ben, von wo aus er die Umgebung der Burg durchstreifte.
Das sollte ihm aber schlecht bekommen, denn die Poli-
zeibeamten bemächtigten sich sehr bald seiner Person auf
einen Hinweis Rotzkos hin, der jenen genau und schon seit
langer Zeit kannte.
In die Hauptstadt des Komitats übergeführt und hier ge-
richtlich vernommen, zögerte Orfanik gar nicht, alle Fragen
zu beantworten, die ihm in der wegen der bekannten Kata-
strophe eingeleiteten Untersuchung gestellt wurden.
Wir möchten hier auch nicht bemänteln, daß das trau-
rige Ende Rudolphs von Gortz den selbstsüchtigen, über-
spannten Gelehrten, dessen Herz einzig an seinen Erfin-
dungen hing, kaum merklich berührte.
Auf Rotzkos dringende Erkundigung hin erklärte Orfa-
nik zunächst, daß La Stilla tot, wirklich tot, und daß sie – so
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lauteten seine Worte – auf dem Campo Santo Nuovo zu Ne-
apel vor 5 Jahren beerdigt, richtig und formgerecht beerdigt
worden sei.
Diese Versicherung erregte eine nicht geringe Über-
raschung, woran das ganz seltsame Abenteuer überhaupt
reich war.
Wenn La Stilla tot war, fragten sich die Richter und an-
dere Leute, wie ging es zu, daß Franz ihre Stimme in der
Gaststube zu Werst hören, sie später auf einer Bastion der
Burg erscheinen sehen, wie, daß er als Gefangener in der
Höhle sich an ihrem Gesang berauschen konnte? Wie war
es endlich möglich, daß er sie in dem Wartturmsaal lebend
wiedersah?
Hier die Erklärung dieser Vorkommnisse, die ja ganz un-
erklärlich zu sein schienen.
Bekanntlich bemächtigte sich des Barons von Gortz die
helle Verzweiflung gleich beim Auftauchen des Gerüchts,
daß La Stilla entschlossen sei, die Bühne zu verlassen, um
Gräfin von Telek zu werden. Das staunenswerte Talent der
Künstlerin, das heißt alle Seelenfreude, die ihm jenes berei-
tete, ging ihm damit verloren.
Zu jener Zeit schlug ihm Orfanik vor, mittels phonogra-
phischer Apparate die Hauptnummern ihres Repertoires,
die sich die Sängerin für ihre Abschiedsvorstellungen aus-
gewählt hatte, getreu aufzunehmen. Die betreffenden Appa-
rate waren damals schon wunderbar vervollkommnet, und
Orfanik hatte sie noch so verbessert, daß die menschliche
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Stimme weder in ihrer Klangfarbe noch in ihrer Reinheit
dadurch im geringsten verändert wurde.
Der Baron von Gortz ging auf das Angebot des Physikers
ein. Nach und nach und ganz insgeheim wurden für den
letzten Monat der Saison Phonographen in der vergitter-
ten Theaterloge aufgestellt. Auf deren Reproduktionsplat-
ten gruben sich nun alle Gesangsvorträge, Cavatinen, Ro-
manzen aus Opern und aus Konzertstücken, unter anderen
auch das Lied Stefanos und die durch La Stillas Tod unter-
brochene Schlußarie aus ›Orlando‹ für immer ein.
Hiermit hatte sich Baron von Gortz in sein Karpaten-
schloß geflüchtet, und jeden Abend konnte er den von den
wunderbaren Apparaten wiedergegebenen Gesängen lau-
schen. Er hörte aber La
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