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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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darin vorgehen mag?
    – Ja, im Voraus weiß ich davon nichts, da ich aber entschlossen bin, es zu erfahren, so werd’ ich auch dahinterkommen…
    – Erst muß man überhaupt bis dahin, bis an das Teufelsschloß gelangen! versetzte der Doctor, der nun am Ende seiner Weisheit war. Wenn ich das nach den bisherigen Hindernissen beurtheile und nach der Zeit, die nur der Weg durch die Wälder des Plesa in Anspruch nimmt, so wird der Tag zur Rüste gehen, ehe wir es zu sehen bekommen.
    – Das glaub’ ich nicht, antwortete Nic Deck. Auf der Höhe des Berges ist das Fichtengehölz weit weniger mit Unterholz durchsetzt, als dieses Dickicht von Ulmen, Ahornbäumen und Buchen.
    – Der Boden wird aber desto steiler ansteigen.
    – Thut nichts, wenn er nur gangbar ist.
    – Ich habe mir aber sagen lassen, wir würden es auf der Höhe des Orgall mit Bären zu thun haben.
    – Ich habe meine Flinte und Ihr die Pistole, Euch der Haut zu wehren.
    – Wenns aber Nacht wird, laufen wir Gefahr, uns in der Finsterniß zu verirren!
    – O nein, denn wir besitzen jetzt einen Führer, der uns, wie ich hoffe, nicht wieder verlassen wird.
    – Was? Einen Führer?« rief der Doctor entsetzt.
    Er sprang schnell auf, um ringsumher einen unruhigen Blick zu werfen.
    »Ja gewiß, versicherte Nic Deck, und dieser Führer ist hier der Bach, der Nyad; längs seines rechten Ufers werden wir voraussichtlich den Rand der Hochfläche erreichen können, denn von dort nimmt er seinen Ursprung. Meiner Ansicht nach werden wir vor Ablauf von zwei Stunden am Thore der Burg stehen, wenn wir hier nicht länger verweilen.
    – Binnen zwei Stunden… wenn nur nicht etwa sechs daraus werden!
    – Nun also, vorwärts! Seid Ihr bereit?…
    – Ihr wollt schon fort, Nic?… Wir haben doch kaum ein paar Minuten ausgeruht!
    – Ein paar Minuten, die zusammen eine gute halbe Stunde ausmachen. – Zum letzten Male also, seid Ihr fertig?
    – Zum Kuckuck, wenn Einem die Beine wie Blei am Leibe hängen… Ihr wißt doch, daß ich keine Försterschenkel habe, Nic Deck! – Mir sind die Füße ganz gehörig angeschwollen, und es ist eine Grausamkeit, mich zwingen zu wollen, Euch zu folgen….
    – Nun, ich habe das Lamentiren satt, Patak – ich stelle es Euch frei, mich zu verlassen. Glückliche Reise!«
    Nic Deck erhob sich.
    »Um des Himmelswillen, Forstwächter, rief der Doctor Patak, hört noch auf ein Wort!
    – Auf Eure Dummheiten!
    – Nein, nein; doch da es schon so spät ist, wäre es doch besser, vorläufig hier zu bleiben und unter diesen Bäumen zu übernachten. Morgen mit Tagesgrauen brechen wir wieder auf und haben dann den ganzen Vormittag vor uns, um zum Schlosse zu gelangen….
    – Doctor, erwiderte Nic Deck, ich wiederhole Euch nur, daß es meine Absicht ist und bleibt, darin schon die Nacht zuzubringen.
    – Nein! widersprach der Doctor mit Entschiedenheit, das werdet Ihr nicht thun, Nic. – Ich würde Euch schon daran zu hindern wissen….
    – Ihr?
    – Ich hänge mich an Euch an…. Ich zerre Euch zurück…. Schlage auf Euch los, wenns sein muß….«
    Er wußte nicht mehr, was er sagte, der unglückliche Patak.
    Nic Deck hatte diese Redereien gar keiner Antwort gewürdigt, und nachdem er sich die Flinte wieder umgehängt, that er einige Schritte nach dem Ufer des Nyad hin.
    »Wartet doch, wartet doch nur! rief der Doctor kläglich. Ein wahrer Teufel von Kerl!… Nur noch einen Augenblick!… Mir sind ja die Beine ganz steif… Meine Gelenke bewegen sich nicht…«
    Die Gelenke verloren ihre Unbeweglichkeit indeß sehr bald, denn der Exkrankenwärter mußte sich mit seinen kurzen Beinen wohl oder übel zwingen, dem Forstwächter nachzulaufen, der sich nicht einmal nach seinem jammernden Gefährten umdrehte.
    Es war jetzt vier Uhr. Ueber den Kamm des Plesa, der sie bald ganz aufhalten sollte, hinstreichend, beleuchteten die Sonnenstrahlen nur noch das hohe Gezweig des Tannenwaldes… Nic Deck hatte alle Ursache, schnell vorwärts zu kommen, denn unter den Bäumen wurde es, wenn der Tag zur Neige ging, sehr bald ganz dunkel.
    Diese Wälder mit den gewöhnlichen alpinen Baumarten bieten einen merkwürdigen und seltsamen Anblick. Statt der schiefen, gekrümmten, wirr verzweigten Bäume weiter unten, streben hier gerade, vereinzelt bis fünfzig und sechzig Fuß über der Wurzel nackte Stämme empor, die nirgends einen Astknoten aufweisen und ihre immergrünen Kronen gleich einer flachen Decke ausbreiten. Weder Gebüsch noch Gräser umhüllen ihren

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