Das Karpathenschloß
ersteigen.
– Ich fürchte, dazu nicht die nöthige Zeit zu haben, antwortete Franz von Telek.
– Na, dazu würde schon ein Tag hinreichen.
– Gewiß, mein Weg führt aber nach Karlsburg, wohin ich morgen aufzubrechen denke.
– Wie, der Herr Graf will uns schon so bald wieder verlassen?« sagte Jonas mit der verbindlichsten Miene von der Welt.
Er hätte es natürlich nicht ungern gesehen, wenn seine Gäste den Aufenthalt im »König Mathias« verlängerten.
»Es muß sein, erwiderte Franz von Telek; wozu sollte es auch nützen, wenn ich noch länger in Werst bliebe?…
– Sie dürfen glauben, daß es sich für Touristen lohnt, einige Zeit in unserem Dorfe zu verweilen, bemerkte Meister Koltz.
– Es scheint jedoch wenig besucht zu sein, versetzte der Graf, und doch wahrscheinlich, weil seine nächsten Umgebungen nichts Merkwürdiges bieten.
– Ja freilich, etwas besonders Merkwürdiges nicht!… gab der Biró zu, dem schon das fatale Schloß durch den Kopf fuhr.
– Nein, nein, etwas Merkwürdiges nicht! versicherte auch der Schulmeister.
– Oho!… Oho!« fiel da der Schäfer Frik ein, dem dieser Ausruf mehr unwillkürlich entschlüpfte.
Da guckten ihn aber der Meister Koltz und die Anderen schön an… vorzüglich der besorgte Gastwirth. War es denn so nöthig, einen Fremden in die Geheimnisse des Landes einzuweihen? Ihn über das aufzuklären, was auf dem Plateau des Orgall vorging? Seine Aufmerksamkeit dem Karpathenschlosse zuzulenken, wenn man ihn nicht blos erschrecken und ihm nahe legen wollte, recht bald aus dem Dorfe zu scheiden? Welcher Reisende würde dann später noch den Weg über den Vulcanrücken einschlagen, um nach Transsylvanien zu gelangen?
Wahrlich, dieser Schäfer zeigte nicht mehr Verstand, als das geringste seiner Schafe.
»So schweig’ doch Dummkopf, schweig’ doch still!« raunte ihm der Meister Koltz zu.
Trotzdem war die Neugier des jungen Grafen schon wachgerufen; er wendete sich deshalb unmittelbar an Frik, und fragte diesen, was seine Okos denn zu bedeuten hätten.
Der Schäfer war nicht der Mann dazu, sich einschüchtern zu lassen, und vielleicht dachte er hier, Franz von Telek könnte etwa einen guten Rath geben, der dem Dorfe von Nutzen wäre.
»Nun ja, ich habe Oho! Oho! gesagt, Herr Graf, und dabei bleib’ ich auch.
– Giebt es denn hier in der Nähe von Werst irgend ein Wunderding, das man besichtigen könnte? fuhr der junge Graf fort.
– Ein Wunderding… ließ Meister Koltz sich vernehmen.
– Nein!… Nein!…« riefen die Anderen wie aus einem Munde.
Die Leute entsetzten sich schon bei dem Gedanken, daß es zu einem zweiten Versuche, in die Burg einzudringen, kommen könnte, wodurch nur neues Unheil entstehen mußte.
Nicht ohne einige Verwunderung betrachtete Franz von Telek die wackeren Dörfler, deren Gesichter in verschiedener, doch sehr bezeichnender Weise den Schrecken ausdrückte, der sie durchbebte.
»Nun, was giebt es denn!… fragte er.
– Was es giebt, Herr Graf? meldete sich Rotzko. Nun denn, wie es scheint, das Karpathenschloß.
– Das Karpatheschloß?
– Ja, wenigstens raunte mir der Schäfer dieses Wort ins Ohr.«
Hierbei zeigte er auf Frik, der mit dem Kopf nickte, ohne den Biró freilich dabei anzusehen.
Jetzt war eine Bresche gelegt in die Privatangelegenheiten des abergläubischen Dorfes, und bald schlüpfte auch seine ganze Geschichte durch diese Bresche heraus.
Meister Koltz, der nun wohl oder übel zu einem Entschlusse kommen mußte, wollte dem jungen Grafen die Sache selbst erläutern und erzählte nun Alles, was das Karpathenschloß betraf.
Erklärlicherweise konnte Franz von Telek das Erstaunen, das diese Erzählung in ihm erweckte, und die Gefühle, die sie ihm erregte, nicht verbergen. Wenn auch nur dürftig unterrichtet in wissenschaftlichen Dingen, wie die allermeisten jungen Leute in seiner Stellung, die auf ihren tief in der Walachei liegenden Schlössern verweilten, war er doch ein Mann von gesundem Menschenverstand. Auch glaubte er wenig an Geistererscheinungen und verlachte die darüber umlaufenden Märchen. Eine von Geistern verzauberte Burg, so etwas mußte schon seine Ungläubigkeit herausfordern. Seiner Ansicht nach lag in dem, was Meister Koltz berichtet hatte, noch gar nichts Wunderbares, sondern einzig verschiedene mehr oder weniger richtig beobachtete Thatsachen, denen nur die Bewohner von Werst übernatürliche Ursachen zuschrieben. Der Rauch aus dem Wartthurm, die in starken Schlägen
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