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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ertönende Glocke – das ließ sich ja wohl höchst einfach erklären. Was die blitzartigen Erscheinungen und das Geheul betraf, die beide von der Umfassungsmauer ausgegangen sein sollten, so hielt er diese nur für Bilder erregter Phantasie.
    Franz von Telek genirte sich nicht, das auszusprechen und zum stillen Ingrimm seiner Zuhörer darüber zu scherzen.
    »Aber, Herr Graf, bemerkte da Meister Koltz, das war ja noch nicht Alles…
    – Nicht Alles?…
    – Nein! Es ist nämlich auch unmöglich, in das Karpathenschloß einzudringen.
    – Wirklich?…
    – Unser Forstwächter und unser Doctor haben versucht über die Mauer zu gelangen… erst vor wenig Tagen… aus Liebe zu unserem Dorfe…. Sie hätten diesen Versuch aber bald mit dem Leben bezahlt.
    – Was ist ihnen denn widerfahren?…« fragte Franz von Telek in ziemlich spöttischem Tone.
    Meister Koltz erzählte nun eingehend die Abenteuer Nic Deck’s und des Doctor Patak.
    »Als der Doctor also, sagte der junge Graf, den Graben verlassen wollte, da wurden seine Füße am Boden so fest gehalten, daß er keinen Schritt vorwärts machen konnte?
    – Keinen Schritt, weder vor-noch rückwärts! setzte Magister Hermod hinzu.
    – Das wird er nur geglaubt haben, Euer Doctor, erwiderte Franz von Telek, und es war nur die Angst, die ihm bis in die Beine, ja bis in die Füße gefahren war.
    – Zugegeben, Herr Graf, antwortete der Meister Koltz. Wie läßt sich aber erklären, daß Nic Deck einen furchtbaren Schlag erhielt, als er das Eisenwerk der Zugbrücke berührte….
     

    Angriff der wilden Thiere in den Bergen. (S. 117.)
     
    – Das war irgend ein Schelmenstreich, dem er zum Opfer fiel….
    – Ja, doch ein so schlechter, daß er noch heute davon bettlägrig ist, ergänzte der Biró.
    – Hoffentlich nicht in Lebensgefahr? fiel ihm der junge Graf ins Wort.
    – Nein… zum Glück nicht.«
    Hier lag ja eine offenbar nicht wegzuleugnende Thatsache vor, und Meister Koltz sah gespannt der Erklärung derselben durch Franz von Telek entgegen.
    Dieser antwortete darauf ruhigen Tones Folgendes:
    »Alles, was ich bis jetzt gehört habe, erscheint mir, ich wiederhole es, höchst einfacher Natur. Zweifelhaft ist für mich freilich nicht, daß das Karpathenschloß jetzt Bewohner hat…. Welche, weiß ich natürlich nicht. Jedenfalls sind das aber keine Geister, sondern Leute, die, nachdem sie sich dahin geflüchtet, guten Grund haben mögen, sich zu verbergen… wahrscheinlich irgendwelche Verbrecher….
    – Was, Verbrecher?… rief Meister Koltz.
    – Das ist sehr leicht möglich, und da sie nicht wünschen, zur Verantwortung gezogen zu werden, haben sie das Märchen verbreitet, daß die Burg von übernatürlichen Wesen verzaubert sei.
    – Wie, Herr Graf, ließ Meister Hermod sich vernehmen, Sie denken…
    – Ich denke, daß das Land hier sehr abergläubisch ist, daß die Insassen des Schlosses davon Kenntniß haben, und daß sie auf diese Weise die Besuche ihnen ungelegener Leute abzuhalten trachten.«
    Es hatte ja viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß sich die Sachen so verhielten. Niemand wird aber erstaunen, daß die Leute in Werst eine solche Erklärung nicht anerkennen wollten.
    Der junge Graf sah wohl ein, daß er aus dieser Zuhörerschaft, die sich nicht überzeugen lassen wollte, Keinen zu vernünftigerer Anschauung bekehrt hatte. So begnügte er sich denn hinzuzufügen:
    »Da Sie Alle für meine Vernunftgründe unzugänglich sind, meine Herren, so glauben Sie meinetwegen über das Karpathenschloß Alles, was Ihnen beliebt.
    – Wir glauben, was wir gesehen haben, Herr Graf, antwortete Meister Koltz.
    – Und was wirklich der Fall war und ist, fügte der Magister hinzu.
    – Schön; doch wahrlich, ich beklage, nicht über vierundzwanzig Stunden verfügen zu können, denn sonst wäre ich mit Rotzko ausgezogen, Ihre berüchtigte Burg näher in Augenschein zu nehmen, und ich gebe Ihnen die bestimmte Versicherung, es würde nicht lange gedauert haben, ehe wir wußten, woran wir uns zu halten hätten….
    – Die Burg besuchen!… rief Meister Koltz.
    – Ohne Zögern; und der Teufel in eigener Person sollte uns nicht verhindert haben, durch die Umwallung zu kommen.«
    Als sie Franz von Telek sich in so bestimmter, ja in spöttischer Weise aussprechen hörten, da packte Alle neues Entsetzen. Wenn die Geister des Schlosses in dieser Weise behandelt wurden, mußte das ja dem Dorfe ein neues Unglück zuziehen. Die Geister hörten doch ohne Zweifel jedes Wort,

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