Das Karrieremacherbuch
schütteln Headhunter geradezu angewidert den Kopf, wenn sie »Philologie« hören. Bei uns verdächtigt man Bewerber geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer automatisch unwirtschaftlichen Denkens. Germanisten etwa können sich bestenfalls für etwas im Bereich »Text« Chancen ausrechnen (auch wenn das Studium mit Schreiben-Können nichts zu tun hat), mit etwas Glück bekommen sie in einer schlecht zahlenden Agentur eine Chance.
22 Prozent aller Studenten waren 2005 Geisteswissenschaftler, aber nur rund 8 Prozent schafften es in eine Unternehmensberatung wie McKinsey oder Roland Berger. 25 In den Unternehmen dürfte diese Quote mindestens genauso mickrig sein. Dafür sind dann 70 Prozent aller Spiegel -Redakteure Geisteswissenschaftler, irgendwo müssen die Denker ja bleiben. 26
Deutsche HR-Verantwortliche sind rückständig
Kein Interesse, null Motivation fürs Studium, schlechte Noten: Gerade im Zuge des Zwangs zum Gut-Sein wäre es folglich kontraproduktiv, Studien- und Berufsentscheidungen rein aus Karriereerwägungen zu treffen. Zumal diese morgen ohnehin nicht mehr gelten. Ein wichtiger Grund, die ganze Sache mit den beruflichen Entscheidungen etwas lockerer zu sehen.
B & B
Die erfolgreichsten Bewerber, die an allen anderen vorbeiziehen, erst recht in der momentanen Wirtschaftskrise, sind sowieso die, die auf etwas ganz anderes setzten, oft eher intuitiv als geplant: auf die zwei »B«, Berufserfahrung und Beziehungen. Sechs Monate Praktikum im Einkauf sind mehr wert als ein Doppelabschluss und eine sehr gute Note. Und wenn Sie sich in der Einkaufsabteilung im Praktikum bewährt haben und der Leiter genau Sie haben will, sind Ihre Leistungen in der Abschlussprüfung nebensächlich. Dann schimpfen zwar die Personalentwickler in ihren Assessment-Centern, die Sie manchmal noch pro forma durchlaufen müssen. Doch das ist dann oft nur noch eine Pseudorunde. Je vergleichbarer gute Abschlüsse und Lebensläufe, desto wichtiger werden andere Dinge. Spezialisierungen, besondere Kombinationen, übergreifende Erfahrung. Vor allem aber: gute Beziehungen und eine Persönlichkeit, die mit den Anforderungen der Arbeitswelt klarkommt. Und da spielt sich nur ein kleiner Teil auf der fachlichen Ebene ab. Je internationaler die Teams, je abteilungsübergreifender und veränderungsintensiver das Arbeiten, desto wichtiger wird es, dass Sie mehr sind als ein mit den Etiketten Teamfähigkeit, Flexibilität und Kommunikationsvermögen gespicktes Arbeitstier. Was können Sie? Wer sind Sie? Wofür stehen Sie? An was glauben Sie?
Noten sind keinerlei Garantie für Erfolg. »Ich habe alles gegeben, aber mein Chef mochte mich einfach nicht. Er behauptete, ich könne mich nicht ins Team integrieren«, erzählt ein ehemaliger Junior Consultant mit Einser-Schnitt, der die Probezeit bei PricewaterhouseCoopers nicht überstanden hat. »Dabei habe ich alles getan und nach der ersten Kritik an meiner Arbeit noch mehr Stunden geschoben. Teilweise saß ich da bis 24 Uhr und habe Excel-Tabellen ausgefüllt.« Setzen, sechs – im Arbeitsleben geht es nicht mehr um Noten-Tuning, Fleiß, Punktesammeln und Stoffwiedergabe. Es geht beispielsweise darum, Kritik und Erwartungen zu hinterfragen und sich selbst einzubringen. Es geht um Persönlichkeit.
DER KARRIEREMACHER-TIPP
Seien Sie ruhig gut, aber bleiben Sie locker dabei. Sorgen Sie dafür, dass Sie ein stabiles Selbstbewusstsein bekommen, und wenn das bedeutet, sich neben Studium oder Beruf für andere Dinge zu engagieren, tun Sie es. Entscheiden Sie sich nicht für Karrierewege, nur weil man Ihnen sagt, sie wären krisensicher. Krisensicher gibt’s nicht, weil Krisen nicht vorhersehbar sind.
Schauen Sie über den Tellerrand, beobachten Sie Menschen, und üben Sie, jemand zu sein, den man an mehr als nur seinen Noten erkennt.
DIE WAHRHEIT ÜBER KONZERNKARRIEREN
Weshalb Career Worker nur die Karriere von anderen vorantreiben – Die Kaminkarriere und ihr langsames Sterben – Jeder will Manager werden, aber keiner weiß, was das ist – Warm machen in einer Unternehmensberatung, Ausruhen im Konzern: So war’s gestern – Warum Trainee-Programme abhängig machen – Warum Sie lieber Chancen sehen sollten als Risiken
Locker bleiben
In einem meiner Seminare saß ein junger Trainee. Jede kleine Pause nutzte er, um auf seinem Laptop zu arbeiten und E-Mails zu beantworten. Beim E-Mail-Schreiben telefonierte er. Mittags schlang er sich in fünf Minuten ein Steak herunter, um die
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