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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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nur eine Ausnahme: Der Joker war ein Nachkömmling, der sich erst vor sechzehn oder siebzehn Jahren auf der Insel sehen ließ. Er war ein Unruhestifter, der in unsere Idylle einbrach, als wir uns gerade an unser neues Dasein gewöhnt hatten. Aber davon erzähle ich später. Morgen ist auch noch ein Tag. Wenn das Leben auf dieser Insel mich eins gelehrt hat, dann, daß immer neue Tage kommen.“
    Was Frode erzählte, war so unglaublich, daß ich mich noch heute an jedes Wort erinnern kann. Wie konnten dreiundfünfzig Traumbilder als lebendige Menschen aus Fleisch und Blut in die Wirklichkeit springen?
    „Das... das ist nicht möglich“, sagte ich noch einmal.
    Frode nickte und sagte: „Im Laufe einiger weniger Jahre hatten es alle Spielkarten geschafft, sich aus meinem Bewußtsein auf die Insel zu drängen, auf der ich mich selbst befand. Oder war ich den umgekehrten Weg gegangen? Auch das ist eine Möglichkeit, über die ich immer wieder nachdenken mußte. Obwohl ich schon seit vielen Jahren mit meinen neuen Freunden zusammenlebe, obwohl wir zusammen das Dorf gebaut, den Boden bestellt, gekocht und gegessen haben, fragte ich mich immer wieder, ob die Gestalten um mich herum wirklich lebendig sind.
    War nicht doch ich in eine ewige Traumwelt übergewechselt? Hatte ich mich verirrt – nicht nur auf der großen Insel, sondern auch in meiner Phantasie? Und wenn es so war: Würde ich je den Weg zurück in die Wirklichkeit finden?
    Erst als der Karo Bube dich zum Brunnen brachte, konnte ich ganz sicher sein, daß mein Leben wirklich ist. Denn du bist doch kein neuer Joker im Kartenspiel, Hans? Dich habe ich doch nicht auch geträumt?“
    Der alte Mann schaute mich flehend an.
    „Nein, bestimmt nicht“, sagte ich rasch. „Mich hast du nicht geträumt. Du mußt aber entschuldigen, daß ich die Frage auf den Kopf stelle: Wenn du es nämlich nicht bist, der schläft, dann muß ich es sein. Dann träume ich all das Unwirkliche, was du erzählst.“
    Plötzlich drehte Vater sich im Bett um. Ich sprang auf, zog meine Hose an und steckte das Brötchenbuch in die Tasche.
    Gleich darauf war Vater richtig wach. Ich trat ans Fenster und stellte mich hinter den Vorhang. Jetzt sah ich, daß Land in Sicht war, aber ich achtete nicht weiter darauf. Meine Gedanken waren ganz woanders – und in einer ganz anderen Zeit.
    Wenn das, was Frode dem Bäcker-Hans erzählt hatte, wirklich wahr war, dann hatte ich soeben vom allergrößten Kartentrick der Welt gelesen. Ein komplettes Kartenspiel herbeizuzaubern wäre schon ein gewaltiges Kunststück gewesen – aber alle dreiundfünfzig Karten in einem Spiel in quicklebendige Lebewesen zu verwandeln, das war Zauberei von einer ganz anderen Qualität. Kein Wunder, daß das Kunststück viele Jahre gedauert hatte.
    Später sollte ich das, was in dem Brötchenbuch gestanden hatte, noch oft anzweifeln. Gleichzeitig habe ich seit diesem Tag die Welt – und alle Menschen, die darauf wohnen – als ein einziges großes Zauberkunststück betrachtet.
    Und wenn die Welt ein Zauberkunststück ist, dann muß es auch einen Zauberkünstler geben. Ich hoffe, daß es mir eines Tages gelingen wird, ihn zu entlarven, aber es ist nicht so leicht, einen Trick zu durchschauen, wenn der Zauberkünstler sich nicht einmal auf der Bühne sehen läßt.
    Vater geriet völlig aus dem Häuschen, als er den Vorhang hob und den Landstreifen sah, dem wir uns näherten.
    »Jetzt sind wir bald im Heimatland der Philosophen«, sagte er.

KREUZ DAME
    ... er hätte das Meisterwerk wenigstens noch schnell signieren können...
    Das erste, was Vater kaufte, nachdem wir auf dem Peloponnes angekommen waren, war eine Nummer derselben Modezeitschrift, die seine Tante auf Kreta gekauft hatte. Dann setzten wir uns in der geschäftigen Hafenstadt in ein Straßencafé und bestellten Frühstück. Während wir auf Kaffee und Saft und trockenes Brot mit einem Klacks Kirschmarmelade warteten, blätterte mein Vater in der Zeitschrift.
    »Ja, zum Kranich!« rief er plötzlich.
    In der Zeitschrift war ein ganzseitiges Bild von Mama. Sie war nicht ganz so leicht bekleidet wie die Damen im Kartenspiel aus Verona, aber es fehlte auch nicht mehr viel dazu. In ihrem Fall war die leichte Bekleidung allerdings zu entschuldigen – sie machte Reklame für Badeanzüge.
    »Vielleicht finden wir sie in Athen«, sagte Vater. »Aber es wird bestimmt nicht leicht, sie zur Heimkehr zu überreden.«
    Unten auf der Seite stand etwas, aber leider auf griechisch,

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