Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Karussell der Spitzbuben

Das Karussell der Spitzbuben

Titel: Das Karussell der Spitzbuben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
Zweireiher. Seine Selbstbeherrschung war meisterlich. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte und verriet Überraschung, Schrecken oder gar Furcht. Alles, was er tat, war, die rechte Augenbraue hochzuziehen und mit deutlicher Ungeduld und Mißbilligung in der Stimme zu fragen: „Was führt Sie zu mir, Inspektor?“ Er sah dabei nur van Retebrinck an. Dieser blieb unbeeindruckt. Nach einem freundlichen Nicken erwiderte er:
    „Sie stehen im Verdacht, mit gefälschten Dollarnoten zu handeln.“
    „Was Sie nicht sagen.“
    „Jaja, so ist das. Was halten Sie davon, wenn wir das weitere Gespräch in Ihrem sicherlich gutgeheizten Eigenheim fortsetzen?“
    „Davon halte ich gar nichts. Es sei denn, Sie haben so ein amtliches Papierchen mitgebracht.“
    „Na gut“, Inspektor van Retebrinck blieb freundlich, ja, fast fröhlich. „Dann frieren wir eben noch ein bißchen gemeinsam. Zum Thema, Leon. Wollen Sie abstreiten, heute vormittag auf dem Hauptpostamt ein Päckchen in Empfang genommen zu haben?“
    Blanker Hohn stand in Valdegiierres Augen. „Erstens, mein lieber Inspektor, habe ich mein Haus heute noch gar nicht verlassen, und zweitens müssen Sie mir erst einmal das Gegenteil beweisen.“
    Er hob leicht das Kinn und strich sich mit dem Handrücken darüber. So als wolle er prüfen, ob eine Rasur notwendig sei.
    „Wer wohnt noch im Haus?“ wollte Gaston Boysen wissen.
    „Niemand. Zur Zeit wohne ich allein. Ich bin sozusagen Strohwitwer. Meine Frau ist für einige Wochen verreist.“ Er zog fröstelnd die Schultern hoch. „Sonst noch Fragen?“
    „Ich bin sicher, daß wir in Ihrem Haus 500 falsche Dollarnoten, einen dunklen Vollbart und einen weißen Mantel finden“, sagte van Retebrinck und hielt dabei den Kopf schief.
    Valdegiierre grinste: „Wenn ich nicht so in Eile wäre, Gentlemen, würde ich Ihnen direkt das Vergnügen einer Suche zugestehen. Aber leider...“ ein bedauerndes Achselzucken, „habe ich gar keine Zeit!“

    Die Stimme des Inspektors war plötzlich eisig. Ebenso war jegliche Freundlichkeit aus seinem Gesicht gewichen. „Es interessiert mich herzlich wenig, ob Sie Zeit haben oder nicht.“
    Valdegiierre schluckte. Kleine rote Flecken erschienen auf seinen Wangen. „Was soll das heißen?“
    „Das heißt, daß sich mein Kollege jetzt unverzüglich so ein, wie nannten Sie es gleich... ein ,amtliches Papierchen’ besorgen wird. Er wird auch nicht vergessen, gleich einen Haftbefehl für Sie mitzubringen. Ja, mein lieber Valdegiierre, und dann werden wir Ihr respektables Häuschen auf den Kopf stellen. Bis dahin müssen Sie sich allerdings mit meiner Gesellschaft begnügen...“
    „Und mit welchem Recht...?“ fauchte Leon.
    „Sie haben uns beschwindelt, lieber Freund. Schamlos beschwindelt... Einem Mann wie Ihnen sollte ein solcher Fehler ja nicht unterlaufen...“

    Und nun wieder unsere Frage an alle Detektive: Woran konnte Inspektor van Retebrinck feststellen, daß ihn Leon Valdegiierre belogen hatte? Ihr könnt diese Frage ganz leicht beantworten, wenn ihr euch das dazugehörige Bild genau anseht.

Fall 10: Er kam auf Zehenspitzen

    Direktor Aren Helgers, Chef einer ungemein wichtigen Behörde, hatte die lässige Angewohnheit, seine Jacke über die Lehne des dienststelleneigenen dreh-, kipp- und rollbaren Ledersessels zu hängen. Das tat er seit Jahr und Tag, und er tat es ungeachtet dessen, was sich in den Taschen des jeweiligen Jacketts befand.
    So geschah es also auch am 1. Juni.
    Es war ein heißer Frühsommertag.
    Ein Tag, in dem Helgers’ Brieftasche glatte neunhundert Mark in Hundertmarkscheinen enthielt.
    Um 10 Uhr 5 öffnete Arne Helgers — sein Büro befand sich im achten Stockwerk — die Tür zum Vorzimmer. Seine Sekretärin griff schon zum Block, doch Arne Helgers winkte ab. „Ich laß die Tür mal auf, Fräulein Busch. Wenn irgend etwas ist, ich bin auf einen Sprung bei Dr. Ahrens!“
    „Ist gut, Herr Direktor!“
    Um 10 Uhr 10 verließ Helgers, mit hochgeschlagenen Hemdsärmeln und gelockerter Krawatte, sein Büro durch die zweite Tür in seinem Zimmer. Um 10 Uhr 14 kehrte er noch einmal zurück, um seiner Brieftasche ein Foto zu entnehmen. Es zeigte den Stolz der Familie: das vier Wochen alte Zwillingspärchen Jenny und Jerome.
    Arne Helgers hatte die Brieftasche schon wieder in die Innentasche des Jacketts zurückgleiten lassen, als er plötzlich stutzte. Noch einmal fischte er sie heraus und schlug sie auf. Kein Zweifel — sein gesamtes Geld war verschwunden.

Weitere Kostenlose Bücher