Das Karussell der Spitzbuben
Ketten und Kettchen weiter. Dabei knurrte er: „Das kannst du einem erzählen, der keine Krempe am Hut hat, Bruder. Rolls-Royce und Imitationen!“
Nach den Ketten und Kettchen kamen die Manschettenknöpfe, die Krawattennadel, das goldene Zigarettenetui und zum Schluß die diamantenbesetzte goldene Armbanduhr.
„Hinlegen!“ befahl Peter, der Cousin, und deutete neben den Weg.
Selegy zeigte auf dieselbe Stelle. „Dorthin, bitte särr?“
„Ja, dorthin!“
„Ich beuge mich der Gewalt!“ Stöhnend begab sich mein Ex-Boß zuerst in die Hocke, dann auf die Knie, und schließlich befand sich sein Kopf kaum noch zwanzig Zentimeter von meinen großen Zehen entfernt. Es wäre für mich ein leichtes gewesen, ihm jetzt einen kleinen Nasenstüber zu versetzen. Natürlich tat ich das nicht! Im Gegensatz zu Gabor Selegy war ich ein Ehrenmann!
„So recht?“ ächzte der eben Erwähnte.
„Sehr gut! Einsteigen, Herrschaften!“
Wir hatten den Wagen bereits erreicht, als uns Selegy nachrief: „Bitte, seien Sie behutsam mit Rückwärtsgang, hat nämlich leichte Verklemmung. Reagiert, bitte, unberechenbar auf brutale Gewalt.“
Wir warfen unsere Colts in Selegys Richtung und stiegen ein. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie er seinen Kopf in die Hände stützte und hinter uns hersah. Ich glaubte sogar, ein hinterhältiges Grinsen erkannt zu haben.
Während ich den Rolls-Royce quer durch den Wald chauffierte, versuchte ich krampfhaft ein Gefühl des Triumphes zu verspüren. Es gelang mir nicht. Im Gegenteil, ich registrierte Magenschmerzen, und das, obgleich ich sonst ohne Nachwehen Bückling mit Himbeereis und Schokoladenpudding vertrug.
Wir ließen den teuren Engländer kurz vor der Waldausfahrt stehen und setzten den Rest des Weges zu Fuß fort. Eingewickelt in Poncho, Mützen und Masken.
Eigentlich wäre damit die Geschichte einer Rache zu Ende, wenn es nicht ein Nachspiel gegeben hätte...
Es war Montag.
Ich kam vom Einkäufen. Außer Kartoffeln, Semmeln, Butter und Brot hatte ich mir auch vier Zeitungen gekauft. Im Geist erwartete ich Schlagzeilen wie „Die Poncho-Täter haben zugeschlagen!“ oder „Weihnachtsüberraschung im Juni!“ Ich stieß den Schlüssel ins Schloß und gab der Tür einen Tritt. Im selben Moment fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter.
„Na, wer wird sich so schändlich benämmen zu fremdem Eigentum?“
Ich brauchte mich gar nicht umzusehen. Das liederliche Deutsch war Gabor Selegys Visitenkarte.
„Was meinen Sie mit fremdem Eigentum?“ tat ich kühl, obwohl ich innerlich dampfte — vor Angst.
„Na, wird doch wohl nicht Ihnen gehören das schöne große Haus, oder?“
Ich betrat meine Wohnung. Es versteht sich von selbst, daß Selegy mir folgte. Er schloß sogar die Tür. „Staunen Sie nicht, was? Ex-Arbeitgeber besucht Ex-Butler.“
Ich nickte nach hinten. „Ich staune! Zufrieden, Herr Selegy?“
Er antwortete nicht. Ich transportierte meinen Einkauf in die Küche. Als ich das Wohnzimmer betrat, hatte es sich Gabor Selegy im selben Sessel bequem gemacht, in dem vor nicht allzulanger Zeit die Gemahlin eines Ex-Ministers gesessen hatte. Sein breitflächiges Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. „Sie haben, möchte ich sagen, Glück gehabt, Sylvester Wenzel, Jessesundmariaundjosef, eine Menge Glück!“
„Und warum?“
„Weil ich hier sitze, bitte scheen. Ich, nicht Polizei. Wäre doch Polizei, sage ich, viel, viel schlimmer, was, Wenzel?“
„W... W... Wieso Polizei? Was habe ich mit der Polizei zu tun?“
Gabor Selegy ignorierte meine Frage. Er legte die Hände nebeneinander, und ich erkannte alle Ringe, die Manschettenknöpfe und die Uhr auf einen Blick wieder.
„Also, wie ich da gestern so gegangen bin durch den Wald, habe ich heftig nachgedacht über ein Problem, elendiges. Sie wissen, jedes Problem für mich ist ein elendiges, das sich nicht läßt lösen. Natürlich, war das ein Schreck. Ich habe geglaubt, was ist mein Herz, das bleibt stehen. Doch dann, als alle zum Auto gegangen, habe ich gerochen, das ist Katharina Maßlos, die Undankbare. Immer noch dasselbe aufdringliche Parfüm. Habe ich gedacht, hat sie engagiert Männlein und Weiblein aus der Unterwelt, aber da war noch das elendige Problem, das mich beschäftigte. Es war deutlich vor mir, aber mir fiel nicht ein. Und dann, heute nacht, hat geklingelt! Wußte ich ganz plötzlich, wer war vierte Mann bei Überfall!“ Gabor Selegy lachte. Und wie er lachte. Laut, krächzend und
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