Das Karussell der Spitzbuben
Maßen.
„Sie haben es erfaßt. Und ich brauche noch einen Komplizen, auf den ich mich verlassen kann.“ Ihr Kinn zeigte auf mich. „Sie!!!“
„Wieso noch einen?“
„Wir werden zu viert sein. Mit von der Partie sind mein Cousin Peter und meine Nichte Adele.“
Ich spürte ein leichtes Frösteln der Beklommenheit. „Zu viert bedeutet drei Mitwisser. Halten Sie das Risiko dann noch für kalkulierbar, gnä’ Frau?“
„Auf die beiden kann ich mich verlassen wie auf mich selbst.“
„Und wie haben Sie sich den...“ das Wort bereitete mir echte Schwierigkeiten, „Überfall vorgestellt?“
„Ich muß erst wissen, ob Sie sich an meinem Rachefeldzug beteiligen wollen!“
„Hm, wenn die Chance besteht, daß man uns nicht auf die Schliche kommt, würde ich schon mitspielen.“
„Ich habe damit gerechnet!“ Sie lächelte wieder, und ich lächelte zurück. Dem Schuft eins auswischen, ja, ich würde dabeisein. Ja, ja, ja!
„Also, Sie haben soeben den dritten Komplizen gewonnen!“
„Dann also zur Sache: Ich weiß aus Gesprächen, daß Gabor jeden Monat einmal seine Mutter besucht.“
„Stimmt!“
„Und dahin fährt er immer allein!“
„Stimmt auch.“
„Was hat es mit dem besonderen Weg auf sich, dessen er sich immer rühmte, ohne jedoch Einzelheiten zu verraten?“
„Er nimmt eine Abkürzung“, wußte ich, was sie nicht wußte, „die für den normalen Verkehr gesperrt ist. Mit einigen Scheinen hat er einen Forstverwalter bestochen, der ihm ein Schlüsselduplikat für die Sperren besorgte. So kutschiert er nun quer durch den Forst und spart dabei jedesmal über eine halbe Stunde Fahrzeit.“
„Ist es dabei geblieben, daß er seine Mutter an jedem ersten Sonntag im Monat besucht?“
„Auch daran hat sich nichts geändert.“
„Ist Ihnen die Abkürzung durch den Wald bekannt?“
„Einmal durfte ich ihn begleiten. Welche Rolle hatten Sie mir denn zugedacht?“
„Die Rolle des Chauffeurs. Sie können diesen komplizierten dicken Italiener hoffentlich fahren?“
Ich mußte sie korrigieren: „Den dicken Italiener fährt er schon seit längerer Zeit nicht mehr. Er hat sich einen Rolls-Royce zugelegt.“
Meine Besucherin zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt.
„Fährt auch nur mit Benzin, oder?“
„Ja, gnä’ Frau. Und er bleibt auch stehen wie jeder andere, wenn man ihm ein paar Stück Würfelzucker ins Benzin wirft!“ erwiderte ich mit einer freundlichen Verbeugung.
„Wie tröstlich. Können Sie das Statussymbol kutschieren?“
„Keine Schwierigkeit. Wie haben Sie sich das Abenteuer im einzelnen vorgestellt?“
„Meine Nichte legt sich auf den Fahrweg, wir anderen halten uns vermummt und maskiert im Hintergrund. Sobald Gabor hält und ausgestiegen ist, tauchen wir auf und erleichtern ihn um seine Kostbarkeiten. Mit seinem Wagen fahren wir bis zur Waldausfahrt und lassen ihn dort stehen.“
„Den Wagen?“
„Den Wagen, natürlich!“
„Und was geschieht mit Herrn Selegy?“
„Den lassen wir schon vorher stehen!“ sagte Frau Katharina Maßlos, und es bestand kein Zweifel, daß diese Vorstellung ihr ungeteiltes Vergnügen bereitete. Gabor Selegy mitten im Wald allein — ohne Schmuck!
Ich meldete Bedenken an: „Er kennt doch unsere Stimmen!“
„Nur die Ihre und die meine. Die notwendigen Drohungen wird ihm Peter ins Ohr säuseln! Er besorgt auch die vier Pistolen!“
„Pistooolen??“ Das Wort fuhr mir durch Mark und Bein. Meine Besucherin kam meinem Protest zuvor: „Regen Sie sich nicht unnötig auf, Herr Sylvester, die Pistolen haben Jahrmarktscharakter, sie sehen nur wie Pistolen aus. Peter kauft sie in einem Wildwest-Shop. Wenn wir abfahren, übergeben wir sie alle vier Gabor. Er kann dann hinter uns herschießen!“ Sie ließ ein lautes, herzerfrischend klingendes Lachen hören. Auch ich mußte grinsen, ob ich wollte oder nicht.
„Er wird schäumen wie eine frischgekappte Champagnerflasche.“ Da ich jedoch kein Dieb im ursprünglichen Sinn des Wortes war, drängte sich mir eine Frage auf: „Was geschieht mit dem Schmuck, den wir ihm abnehmen?“
„Wir machen ihn zu Geld und überweisen den Betrag anonym an den ,Verein zur Unterstützung entlassener Strafgefangener’.“
Ich versuchte, meine Beklommenheit zu verdrängen, und hoffte laut: „Wenn das nur gutgeht!“
„Es geht gut!“ Die Frau des Ex-Ministers gab sich optimistisch.
Noch lange nachdem sie gegangen war, saß ich am Tisch und grübelte über das geplante Unternehmen nach.
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