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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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ein Grinsen. Ich war selbst überrascht, wie überzeugend ich mich als Expertin präsentiert hatte. Nichts, was Männer normalerweise von einer Frau erwarteten, dachte ich amüsiert und empfand plötzlich ein berauschendes Gefühl von Macht.
    Was ich gesagt hatte, war gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Das Weben von Fallschirmseide war unkompliziert: Fäden gleicher Stärke für Kette und Schuss und keine Muster oder Farbwechsel. Verzwirnung und Spannung waren fest vorgegeben. Das Garn, das wir benutzen wollten, lag allerdings zum großen Teil noch » im Leim « – dem klebrigen Serizin, das die Raupe ausscheidet, um ihren Kokon zu bilden. Um es zu » entleimen «, als er musste es erst gekocht werden – das war Teil des Veredelungsverfahrens.
    Gwen hatte mir die Aufsicht über zwei Webmaschinen übertragen, an denen ich mit Stefan Testläufe durchführte. Später, sobald die Verträge unterzeichnet waren und die Produktion anlief, würde er selbst zwei übernehmen – wie Gwen vorausgesehen hatte, ließ er sich bei der Arbeit hervorragend an. Was mich betraf, so war mir anderes wichtiger. Ich freute mich vor allem darauf, ihn jeden Tag an meiner Seite zu haben.
    Die Arbeit mit dem neuen Material war anstrengend. Man musste ständig wachsam sein, weil sich in dem blendend weißen Gewebe gebrochene Fäden nur schwer erkennen ließen. Nachdem wir stundenlang zugesehen hatten, wie reinweißer Stoff im Ausgabeschaft erschien, brannten unsere Augen, und wir baten Gwen darum, zwischendurch Streifen oder Jacquardmuster weben zu dürfen. Sie erlaubte es nicht. » Es ist wichtige Arbeit, die ich nicht jedem anvertrauen kann. Ihr zwei seid jetzt unsere Experten. «
    Nachdem Robbie uns zu Hause abgesetzt hatte, sagte John: » Sehr eindrucksvoll, Schwesterchen, wie du unsere Effizienz angepriesen hast. Du wirst noch zu einer richtigen Geschäftsfrau. «
    » Danke für das Kompliment. « Ich gab es nicht zu, doch im Geheimen war ich stolz auf mich und fühlte mich geschmeichelt durch seine Anerkennung. Das kam damals nicht gerade häufig vor bei Mädchen.
    » Natürlich hilft es uns, dass er ganz vernarrt in dich ist. Sorg also dafür, dass es so bleibt, denn wir werden in nächster Zeit ziemlich von ihm abhängig sein. «
    » Ich fürchte, das bildest du dir bloß ein « , giftete ich ihn an. » Außerdem verstehe ich meinen Beitrag zum geschäftlichen Erfolg nicht allein so, dass ich Männer anhimmle. Was hast du eigentlich für ein Frauenbild? «
    John merkte, dass ich verärgert war, und wich mit abwehrend erhobenen Händen zurück. » Immer mit der Ruhe, altes Mädchen. Ich meinte damit bloß, dass du dich gut mit ihm stellen sollst, nicht mehr und nicht weniger. Er wird dich nämlich im Laufe der nächsten Woche um eine Verabredung bitten. Darauf wette ich meinen Hut. «
    » Der reizende Mr. Cameron ist am Telefon und wünscht mit meiner schönen Tochter zu sprechen « , sagte Vater und tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Mutter.
    » Dann werde ich meinen Hut also behalten « , brummte John und stupste mich triumphierend an, während ich mit brennenden Wangen zum Telefon ging.
    Die Tage bis Samstag krochen dahin. Ich war so aufgeregt bei dem Gedanken an meine erste richtige Verabredung, dass ich kaum still sitzen konnte. Ich durchstöberte meinen Kleiderschrank und die Schubladen meiner Kommode, probierte ein Dutzend verschiedener Kombinationen aus, bevor ich mich schließlich für einen Karorock und ein hellblaues Kaschmirtwinset entschied, das sowohl lässig als auch weiblich wirkte und meiner Figur schmeichelte. Neue Seidenstrümpfe hatte ich auch, der Abend konnte kommen.
    Wir gingen ins Kino, und Robbie legte seinen Arm um meine Schultern. Es war ein Film mit James Stewart, und plötzlich stellte ich ganz aufgeregt fest, dass Robbie diesem berühmten Hollywoodidol mehr als nur ein bisschen ähnlich sah. Ich war im siebten Himmel. In Begleitung dieses attraktiven Mannes zu sein fühlte sich herrlich glamourös an.
    Anschließend gingen wir noch auf einen Drink in den Pub, sodass es bereits nach elf war, bis wir vor dem Kastanienhaus vorfuhren. Robbie reichte mir die Hand, und ich stieg so elegant wie möglich aus dem Sportwagen. Als ich vor ihm stand, drehte er mein Gesicht zu sich und küsste mich. Anfangs betont zurückhaltend wie beim ersten Mal, doch dann spürte ich, wie er meine Lippen mit der Zunge teilte und in meinen Mund fuhr. Keine Frage, ich war keinem Anfänger in die Hände gefallen,

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