Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
uraltes Haus am Ende der Welt, das an allen Ecken und Enden nach Renovierung schreit! Steck da ja kein Geld rein. Verkaufe es, wenn es geht, oder nimm die Erbschaft gar nicht erst an, sollte das noch möglich sein. Das bringt dir nur Arbeit und Ärger ein.«
Obgleich Justus mit seinen Worten das Haus treffend beschrieben hatte, war Isaura wütend und nun fest entschlossen, die Erbschaft anzunehmen und das Anwesen auf keinen Fall zu verkaufen.
»Das ist meine Entscheidung!«, erwiderte sie scharf.
»Ja, ja«, sagte er beschwichtigend, »mach, was du für richtig hältst. Deswegen rufe ich nicht an. Ich denke, wir sollten reden.«
»Jetzt? Hier am Telefon?«, wehrte Isaura ab, die um ihre Idylle fürchtete, in die sie sich geflüchtet hatte. Nein, ihr Streit und ihre Eheprobleme sollten dieses Fleckchen Erde nicht beschmutzen.
»Nein, nicht am Telefon. Das ist viel zu teuer. Was glaubst du, was diese Handygespräche ins Ausland kosten?«
Gut. Dennoch ärgerte sie sein Argument. Ehe sie etwas erwidern konnte, fuhr Justus fort:
»Ich komme zu dir. Ich habe einen Flug nach Madrid gebucht. Kannst du mich dort morgen um elf Uhr abholen?«
»Ja«, sagte sie völlig überrumpelt. »Es ist nicht so weit.«
»Gut«, fiel er ihr ins Wort. »Ich muss jetzt Schluss machen. Alles andere besprechen wir, wenn ich morgen komme.«
Es klickte, und dann rauschte es nur noch. Mit offenem Mund starrte Isaura das Telefon an. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. Er hatte sie völlig überfahren. Sie hatte noch keine Zeit dazu gehabt, über alles in Ruhe nachzudenken. Wie sollte sie ihm jetzt schon zu sagen wissen, wie es mit ihnen weitergehen konnte? Wie ihm verzeihen und einen Neubeginn wagen? Sie spürte ganz deutlich, dass sie noch eine Weile für sich brauchte. Vielleicht hier in der Einsamkeit der kastilischen Hochebene mit einem Kater vor der Tür eines halb verfallenen Häuschens sitzen und sich in längst vergangene Tage versenken.
Sie sah sich um. Es war alles so perfekt gewesen, doch nun sah sie ihre Umgebung mit Justus’ kritischem Blick. Sie wollte seine Kommentare nicht hören. Nein, er passte nicht hierher. Und dennoch, was konnte sie anderes tun?
Sie dachte an Carmens schmales Bett oben in der Kammer, das sie nicht mit ihm teilen wollte. Aber wo sollte er sonst schlafen? Auf dem durchgesessenen Sofa? Auf der Eckbank?
Sie konnten sich ein Hotelzimmer nehmen. In Madrid oder lieber hier in der Nähe? Sie überlegte, was für eine Umgebung für Justus passend wäre. Was für sie ebenfalls passend gewesen wäre – noch vor wenigen Tagen.
Mit einem Seufzer griff sich Isaura ihr Netbook und rief die Seite der Suchmaschine auf, um nach guten Hotels in der Umgebung zu sehen. Sie konnte ja mal ein Doppelzimmer reservieren. Und wenn ihr dann nicht danach war, mit ihm zusammen zu übernachten, hätte sie es nicht weit nach Hause.
Isaura stutzte. Sie hatte tatsächlich nach Hause gedacht und das kleine, renovierungsbedürftige Häuschen ihrer verstorbenen Großtante am Ende der Welt gemeint, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagten.
Sie blätterte die Liste der Hotels durch, die meist eher der unteren Klasse zuzuordnen waren. Dann hielt sie inne und öffnete den Link: »Valbusenda Hotel Resort & Spa.«
Isaura las den Text und betrachtete die Fotos auf der Internetseite des Hotels. »Unser exklusives Fünfsternehotel liegt eingebettet zwischen Weinbergen in der idyllischen Weinregion zwischen Toro und Zamora. Es bietet einen luxuriösen Spabereich mit vielen Anwendungen, darunter auch eine Weintherapie mit Weinen aus eigener Herstellung. Das hauseigene Weingut bietet exklusive Führungen durch den kompletten Herstellungsprozess der Weinbereitung, und wir organisieren gern ein Bankett für Sie und Ihre Gäste.«
Ja, das war etwas für Justus. Und wenn er kam, um sich zu entschuldigen und sie zu bitten, ihm eine zweite Chance zu geben, dann war diese Umgebung sicher besser als die einfache Bauernküche, in der der Kater mit misstrauischem Blick um seine Füße strich. Ihre Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Wie er sie angelächelt und sie zum Tanz aufgefordert hatte und wie sie nachher durch die Nacht spaziert waren. Sie hatten sich so viel zu erzählen. Und zu lachen. Gemeinsam zu lachen. Dann ihre erste Reise auf die Malediven. Der Tauchkurs und die herrliche Unterwasserwelt, die romantischen Nächte am Strand und in ihrer Hütte mit dem Palmendach. Sie hatten so viel
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