Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
wie absurd das Ganze war, und ein Kichern stieg in ihr auf.
»Was gibt es da zu lachen?«, erkundigte er sich noch immer unwirsch.
»Nur die Vorstellung, dass ich aus böser Absicht einen Schneesturm auf dich herabbeschworen habe, obwohl du dachtest, in die Wärme des sonnigen Spaniens zu reisen. Aber wenn es so ist, dann hast du es vermutlich verdient.«
Er starrte sie verdutzt an, dann wurde seine Miene weich, und er fiel in ihr Lachen ein. Er kniff sie in die Wange.
»Ich habe ja von jeher geahnt, dass ich eine Hexe geheiratet habe. Dein Vater hat mich noch vor dir gewarnt.«
»Mein Vater hat alle Jungs vor mir gewarnt, seit ich vierzehn war!«, gab Isaura düster zurück.
»So früh schon?«, rief Justus und zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich wusste ja gar nicht, dass du so frühreif warst.«
Die Anspannung wich einem Gelächter, das den kleinen Wagen erfüllte. Und auch der Schneesturm fiel so unvermittelt in sich zusammen, wie er über sie hereingebrochen war. Die Wolken rissen auf, und blendendes Sonnenlicht ließ den frischen Schnee erstrahlen.
»Sieh dir das an«, hauchte Isaura.
Nach allen Seiten schienen die Wolken nun zu fliehen und gaben den Blick in ein breites Hochtal frei.
»Ist das nicht wunderschön?«
»Ja, und es wird noch schöner sein, wenn wir mit diesen Sommerreifen heil dort hinunterkommen«, meinte Justus, der den Motor wieder startete. Er steuerte den Wagen auf die Straße und legte die ersten Kehren abwärts im Schneckentempo zurück, bis der Schnee verschwand und die Temperatur wieder deutlich über den Gefrierpunkt stieg.
Kapitel 23
Valladolid, 1469
Sie konnte Stimmen hören, doch alles war schwarz um sie. Jimena war sich nicht sicher, ob sie die Augen öffnen konnte. Sie versuchte sich zu bewegen, aber ihre Glieder gehorchten ihr nicht. In ihrem Kopf dröhnte und hämmerte es, sodass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Bilder und Erinnerungsfetzen jagten wie vom Sturmwind getrieben dahin, dennoch konnte sie sich nicht entsinnen, was geschehen war und wo sie sich befand. Es gelang ihr, ihre Hand über das zerknitterte Laken wandern zu lassen. Lag Teresa wie gewöhnlich neben ihr? Es wäre ihr ein Trost gewesen, aber die zweite Betthälfte war leer. Sie sehnte sich nach Domingas Händen. Ja, sie wusste, wenn ihre Tante ihr nur über das Haupt streicheln und mit ihrer eindringlichen Stimme zu ihr sprechen würde, dann müssten die Schmerzen und das Dröhnen vergehen. Doch Dominga war nicht da. Weder sie noch Teresa waren in ihrer Nähe. Jimena konnte die Leere um sich herum spüren.
Dann wieder die Stimme eines jungen Mannes.
Ramón? Sie spürte, wie ihr Herz rascher zu schlagen begann. Ramón! Er war zu ihr zurückgekehrt. Er hatte seinen Fehler eingesehen und würde sich nun der richtigen Seite anschließen. Und er würde bei ihr bleiben, für immer.
Das warme Gefühl verdrängte für einen Moment die Schmerzen, und sie fühlte, wie warme Tränen über ihre Wangen rannen.
Die Stimme kam näher, und Jimena wollte ihre Arme nach ihm ausstrecken, als sie ihren Irrtum bemerkte. Nein, sein Kastilisch klang seltsam. Das war nicht Ramón! Jimena schlug die Augen auf und sah in das vom Licht einer Lampe schwach erleuchtete Gesicht des Prinzen.
»Sie ist aufgewacht!«, rief er erfreut und ergriff ihre Hände. »Doña Jimena, Ihr habt mir einen Schreck eingejagt. Wie konntet Ihr so lange ohne Bewusstsein bleiben und mich in der Angst lassen, Ihr würdet Eure heldenhafte Tat mit dem Leben bezahlen müssen?!«
Um Jimenas Lippen zuckte es, obgleich ihr bei dem Versuch, sich zu bewegen, ein Schmerz wie glühendes Eisen durch den Kopf jagte. Die Lampe kam näher und mit ihr die Gesichter der Dons Gutierre, Gonzalez und Alonso, die ebenfalls besorgt auf sie heruntersahen.
»Ihr habt dem Prinzen vermutlich das Leben gerettet«, sagte Alonso de Palencia.
»Wie geht es Euch?«, erkundigte sich Gutierre de Cárdenas.
»Mir geht es gut«, krächzte Jimena mühsam, doch sie sah, dass ihre Worte keinen überzeugten. Da fiel ihr auf, dass die Männer nicht mehr die Kleider der armen Reisenden trugen. Ja, der Prinz steckte in einem prächtigen Wams aus goldbesticktem Samt und trug ein mit Federn geschmücktes Barett auf dem Kopf.
»Wo sind wir?«, krächzte sie.
»Im Haus von Pedro de Acuña, dem Grafen von Buendía«, gab Don Gonzalez Auskunft. »Er ist ein Anhänger unserer Sache. Ihr müsst Euch keine Sorgen machen.«
Die Scharade war zu Ende. Sie befanden sich im Haus
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