Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
zusammen unternommen, waren am Wochenende durch Museen und Ausstellungen geschlendert und hatten sich dann bei einem herrlichen Essen ein Streitgespräch über die Exponate geliefert. Er war intelligent, schnell von Begriff und eloquent. Er hatte eine gute Erziehung genossen und wusste, wie man Frauen schmeichelte. Und er hatte ein Gespür für schöne Dinge. Mit ihm zusammen unterwegs zu sein war stets eine Lust gewesen.
Warum nur konnten sie diese Zeiten nicht zurückholen? Sollte diese Sandy wirklich alles zerstören? Nein! Das würde sie nicht zulassen. Sie würde um ihren Mann und um ihre Ehe kämpfen. So leicht gab sie nicht auf.
Isaura buchte ein Doppelzimmer und schaltete das Netbook danach wieder aus. Sie hätte längst ihre E-Mails abrufen, sich beim Verlag melden oder zumindest abklären müssen, ob es etwas Dringendes gab. Sie sollte Nachrichten sehen, um zu wissen, was auf der Welt los war. Ja, sie hatte seit Tagen nicht einmal Zeitung gelesen, doch seltsamerweise störte sie das nicht. Sie kehrte in den sonnigen Hof zurück, der ihr nicht mehr so warm und behaglich erschien wie zuvor, und setzte sich mit einem Seufzer neben den Kater. Er sah sie aus seinen geheimnisvollen grünen Augen an, während sie ihm den Nacken kraulte.
»Weißt du, ich hatte fast vergessen, dass es da draußen noch eine andere Welt gibt.«
Isaura stand früh auf. Sie fütterte den Kater noch einmal, strich ihm zum Abschied über die Ohren und machte sich dann auf den Weg nach Madrid. Dieses Mal nahm sie die kürzere und schnellere Strecke über die Autobahn, die die Gipfel der zentralen Bergkette in einem Tunnel unterfuhr. Fast bereute sie es, als sie an die wunderschöne Fahrt über den Pass nach Segovia dachte, an die dichten Wälder, aus de nen sich die schroffen grauen Felsgipfel erhoben, die kleinen Bergdörfer in dem breiten Hochtal zwischen den beiden parallelen Bergketten, die gewundenen Straßen, die sich in engen Serpentinen auf und ab schraubten.
Von alldem bekam Isaura auf der Autobahn nichts mit, doch schließlich war sie diesmal nicht auf Sightseeingtour, sondern wollte rechtzeitig am Flughafen sein.
Wie nicht anders zu erwarten, war sie pünktlich dort. Isaura war immer pünktlich, was sie von vielen ihrer Journalistenkollegen unterschied. Unruhig marschierte sie in der Ankunftshalle vor der Schiebetür auf und ab und musterte die Reisenden, die sie in kleinen und größeren Gruppen entließ. Sie versuchte zu erraten, was die Leute hierher nach Madrid führte. Ob sie nach Hause kamen oder zu einer Reise aufbrachen, freudig aufgeregt und voller Erwartungen?
Isaura war auch aufgeregt, doch voll freudiger Erwartung? Nein, eher angespannt und nervös.
So schritt sie noch eine weitere halbe Stunde auf und ab, was sich nicht beruhigend auf ihre Stimmung auswirkte.
»Isa!«
Da war er, seine Aktentasche in der einen Hand, ein Bordcase in der anderen. Er trug Anzughosen, schwarze Schuhe und ein hellblaues Hemd und sah wie ein Geschäftsreisender aus, und nach dem Umfang seines Gepäcks zu schließen hatte er nicht vor, lange zu bleiben. Die unterschiedlichsten Gefühle wallten in ihr auf, aber sie war im Augenblick nicht in der Lage, sie zu entschlüsseln und zu sortieren. Jedenfalls war noch immer Wut dabei, Trauer, aber auch Hoffnung und der süße Schmerz, der der Erkenntnis folgt, dass etwas Schönes für immer verloren ist.
Isaura atmete tief durch und trat auf ihn zu. »Hattest du einen guten Flug?«, fragte sie steif, weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte sagen sollen.
»Danke, ja.« Er zögerte, dann küsste er sie auf die Wange.
Schweigend verließen sie den Flughafen. Über was konnten sie reden? Über das Wetter und die spanischen Sehenswürdigkeiten? Die Qualität von Serranoschinken und Wein? Wo es doch um ihre gemeinsame Zukunft ging – falls es überhaupt eine solche geben sollte. Wie konnten sie dann Nichtigkeiten austauschen? Doch der Weg durch den überfüllten Flughafen zum Parkplatz war auch nicht der geeignete Ort, um über das zu sprechen, was Justus zu ihr nach Spanien geführt hatte.
Isaura schloss den Wagen auf und verstaute das kleine Bordcase im Kofferraum.
»Was hast du dir denn da gemietet?«, brummte Justus mit einem Kopfschütteln. »Das kann man ja nicht Auto nennen.«
»Wenn du erst einmal die engen Gassen in den Dörfern gesehen hast, wirst du froh über einen Kleinwagen sein«, gab Isaura zurück.
Justus zuckte nur mit den Schultern und streckte die Hand nach dem
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