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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die Wogen zu glätten. »Natürlich wollen wir niemandem auf der Tasche liegen. Lasst Euch nicht von den Spuren unserer schweren Reise täuschen.«
    »Ihr könnt bezahlen? Dann zeigt mir eure Beutel!«, verlangte der Posten.
    Inzwischen waren noch zwei weitere Bewaffnete herangekommen und auch einige Neugierige, die sehen wollten, ob etwas Spannendes das trübe Einerlei des Alltags unterbrechen würde.
    Don Gutierre wand sich. »Wir sind unterwegs beraubt worden«, musste er zugeben.
    »Das ist bedauerlich, doch nicht unsere Schuld«, mischte sich ein zweiter Bewaffneter ein. »Wenn ihr nicht bezahlen könnt, dann geht eurer Wege. Wir dürfen euch nicht einlassen.«
    Jimena spürte, dass die Lage kurz davor war, außer Kontrolle zu geraten. Sie ließ sich von ihrem Maultier gleiten und raffte den schmutzigen Saum ihres Rocks, als Fernando nach ihrem Arm griff.
    »Bleibt hier, Doña«, raunte er ihr zu. »Das könnte gefährlich werden.«
    »Ich weiß«, gab sie zurück und entwand sich seinem Griff. »Genau deshalb muss ich etwas tun!«
    »Wir haben Freunde hier, die uns aufnehmen!«, versuchte es Don Alonso, während sich Jimena nach vorn drängte.
    »So? Dann nennt uns ihre Namen«, forderte der Wächter. Betreten wechselten die Männer Blicke.
    »Lügengesindel!«, rief eine Frau. Jimena versuchte den Blick des Wächters auf sich zu ziehen, der den stärksten Zorn verströmte. Sie musste ihn beruhigen und ihm ein anderes, ein besseres Gefühl vermitteln. Vielleicht gelang es ihr dann, das Schlimmste zu verhindern.
    »Señor«, sprach sie ihn an und hielt seinen Blick mit dem ihren fest. Es waren keine Worte notwendig. Alles, was sie wollte, war, ihn von seiner Wut zu befreien, die wie loderndes Feuer von einem zum nächsten überzuspringen drohte.
    Da erklang die helle Stimme eines Knaben. »Verschwindet von hier!« Ein Stein flog und traf Don Gutierre an der Schulter. Seine Hand fuhr zu seinem Gürtel herab, doch statt einen Schwertgriff zu fassen, glitt sie ins Leere.
    Jimena spürte, dass sie verloren hatten. Sie raffte ihre Röcke und wich zurück. Hektisch versuchte sie all die Gesichter zu erfassen, deren Zahl inzwischen auf mehr als zwei Dutzend angewachsen war. Der Augenblick war gekommen. Sie wusste es einfach. Doch von wo würde die Gefahr kommen?
    Der Steinwurf hatte den Don nicht verletzt, doch er war wie der erste Schuss in einer Schlacht gewesen, der die aufgestaute Spannung in befreiende Gewalt umschlagen ließ. Noch mehr Steine flogen, und die Männer wichen hastig zurück. Nur Fernando stürzte nach vorn zu Jimena.
    Da sah sie den Mann mit der Schleuder. Auf seinem Ge sicht stand Entschlossenheit. Sie sah, wie er den Prinzen fixierte und die Entfernung abschätzte. Hatte er ihn erkannt? Sie wusste es nicht, und sie hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie wusste, dass das Geschoss den Prinzen am Kopf treffen und bei dieser Wucht vermutlich seinen Schädel durchschlagen würde.
    Jimena sprang. Es war ein Instinkt, ein Impuls aus den unbekannten Tiefen ihres Inneren, denn für bewusste Überlegungen ging alles zu schnell. Im Flug prallte sie mit dem Prinzen zusammen und riss ihn mit sich zu Boden.
    Das Geschoss zischte über ihre Köpfe hinweg, und auch zwei große Steinbrocken gingen fehl. Ein dritter traf Jimena, die auf Fernando zu liegen kam, an der Schulter. Sie spürte, wie ihr Hemd zerriss und die Haut darunter aufplatzte. Die Wucht des Aufpralls schlug ihre Schläfe gegen einen Felsen. Blut spritzte auf, rann ihr über das Gesicht und verteilte sich auf dem schmutzigen Stoff. Mit einem Stöhnen rutschte sie zur Seite. Ihr wurde schwindelig, und sie sah nur noch wie durch Nebel, dass Fernando sie aufrichtete und hinter einen Mauervorsprung zerrte. Auch die anderen Begleiter des Prinzen suchten Deckung vor dem Steinhagel.
    »Euer Erzbischof wird das verdammte Dorf bis auf die Grundmauern niederbrennen, wenn er davon erfährt!«, hörte sie Pedro Vaca in höchstem Zorn schreien. »In eurer Dummheit habt ihr fast euren zukünftigen König ermordet!«
    Stille.
    Jimena gewahrte noch, dass die aufgebrachten Dorfbewohner verstummten. Die letzten Steine fielen herab, ohne Schaden anzurichten. Auch der Prinz und seine Begleiter sagten kein Wort. Es war, als würde die Zeit für einen Moment stillstehen und abwarten, wie sich die Menschen entschieden.
    »Wovon sprecht Ihr?«, erklang eine Stimme vom Stadttor her. »Ihr seid doch nicht etwa Prinz Fernandos Gefolge, das in den nächsten Tagen

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