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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Fahrerflucht. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass das strafbar ist?«
    Er fuhr los. Isaura war sprachlos und sagte nichts mehr, bis sie vor der kleinen Polizeistation in Tordesillas vorfuhren.
    »Señora Thalheim, nun machen Sie es mir doch nicht so schwer. Reden Sie mit mir!«
    Isaura sah zu dem Comisario auf, der sich als »Rafael Martinez Morales« vom Kommissariat Valladolid vorgestellt hatte. Er war groß und von vierschrötigem Körperbau. Sicher war es für einen Verbrecher nicht einfach, ihn niederzuringen. Er schien trotz der Körpermasse beweglich und geschickt zu sein, das schloss sie zumindest aus seinem kraftvollen Gang, mit dem er das kleine Büro immer wieder durchquerte. Er zündete sich jetzt schon die dritte Zigarette an. Die Luft war zum Schneiden, und Isaura wünschte sich, er würde das Fenster öffnen. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Oder lag das an dieser unwirklichen, absurden Situation, die sie noch immer nicht recht fassen konnte?
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll.«
    Der Comisario hielt inne und seufzte schwer. Dann richtete er seinen Blick so eindringlich auf sie, dass Isaura das Bedürfnis verspürte zurückzuweichen, doch sie unterdrückte den Impuls und versuchte seinem Blick standzuhalten, ohne ständig zu blinzeln.
    »Gut, fangen wir damit an, dass Sie mir bestätigen, dass Sie in diesem Wagen saßen, als der Unfall geschah.«
    Er sprach deutsch mit ihr. Vermutlich hatten sie ihn deshalb aus Valladolid geholt. Außerdem gab es hier in Tordesil las normalerweise gar keine Kriminalbeamten, vermutete Isaura.
    »Was ist gestern Abend kurz nach Einbruch der Dunkelheit auf der Straße von Tordesillas nach Toro geschehen?«
    Nun schloss sie doch kurz die Augen und überlegte. Sie sah sich neben Justus. Sie hatten Großtante Carmens Hof besucht, der keine Gnade vor den Augen ihres Mannes gefunden hatte. Abgesehen von dem alten Wagen, doch auch dessen Zustand hatte er bemängelt. Und dann waren sie weitergefahren. Richtung Toro, um in diesem vornehmen Wein- und Wellnesshotel zu übernachten. Sie sah das Bild des Doppelzimmers vor sich, das sie über das Internet gebucht hatte, und es schauderte sie, was dem aufmerksamen Blick des Kommissars nicht entging.
    »Ja? An was erinnern Sie sich? Sagen Sie es mir, Señora Thalheim!«
    Sie schwieg und ließ den Film vor ihrem inneren Auge weiter ablaufen. Die roten Felsen bei Toro. Die enge, kurvige Straße. Und dann seine Worte von Scheidung und einem Kind. Der Schmerz, überall Glassplitter. Sie sah noch, wie sich alles zu drehen begann, und hörte Justus’ Schrei.
    Isaura öffnete die Augen und sah den Comisario an. »Ja, ich war in dem Wagen, als der Unfall passierte.«
    »Sind Sie gefahren?«
    »Nein!«
    »Wie kam es zu dem Unfall? Es war kein anderes Fahrzeug beteiligt. Warum ist der Wagen von der Fahrbahn abgekommen und hat sich überschlagen?«
    Sie zögerte, dann hob sie die Schultern. »Ich weiß es nicht. Wir hatten – eine Auseinandersetzung. Ich habe nicht so sehr auf die Umgebung geachtet. Ich erinnere mich noch, dass sich alles um mich herum drehte. Danach weiß ich nichts mehr.«
    »Und irgendwann saßen Sie dann völlig unversehrt auf der Bank vor ihrem Häuschen fast dreißig Kilometer vom Unfallort entfernt?«
    Isaura hob die Schultern und nickte.
    »Sie sind nicht verletzt, das stimmt doch?«
    Isaura sah auf ihre nun sauberen Hände herab. Allerdings hatte die Spurensicherung zuerst eine Probe genommen, ehe sie ihr erlaubt hatten, das getrocknete Blut abzuwaschen.
    »Sie werden es mir bald sagen können, ob es Justus’ Blut war, das ich an den Händen hatte.«
    Der Comisario kam noch näher und beugte sich über sie, sodass sie seinen Zigarettenatem im Gesicht spürte. »Eine interessante Formulierung, Señora Thalheim, ja, das muss ich sagen.«
    Sie reagierte nicht. Warum hatte sie das gesagt? Warum hatte sie es auf diese Weise gesagt? Weil sie es so empfand?
    Ja, sie fühlte sich irgendwie schuldig und hatte das Gefühl, Justus etwas Schlimmes angetan zu haben, dabei hatte doch er sie betrogen, hatte mit einer anderen ein Kind gezeugt und wollte sie nun verlassen. Warum dann dieses Gefühl von Schuld?
    Sie spürte, dass der Comisario jede Regung, jedes Zucken eines Muskels in ihrem Gesicht genau registrierte. Vermutlich war er gut, und bei ihm kam keiner so einfach mit einer Lüge davon.
    Seine Stimme wurde trügerisch sanft, als er weitersprach. »Wollen Sie mir nicht noch irgendetwas erzählen? Es

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