Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
steifbeinig an Don Gutierres Arm weiterwankte. Isabel dagegen hatte sich nicht ein Mal beklagt. Jimena sah, wie sie sich auf die Lippe biss und tapfer weiterging. Sie hatte Don Alonsos Hilfe abgelehnt und führte ihr Pferd selbst am Zügel. Ja, sie war eine starke Frau, und sie würde diese Stärke noch oft bitter nötig haben. Zum Glück hatte sie bereits im Herbst die kleine Isabel mit ihrer Amme nach Arévalo zu ihrer Großmutter geschickt, wo das Mädchen prächtig wuchs und gedieh.
Es wurde bereits dunkel, als sie das Kloster El Paular erreichten, das erste Kartäuserkloster Kastiliens, das sich seit fast hundert Jahren im Bau zu befinden schien. Enrique von Trastámara hatte es einst gegründet, um Buße für ein nieder gebranntes Kartäuserkloster auf seinem Feldzug in Frank reich zu tun, doch es oblag dann seinem Sohn, das Kloster bauen zu lassen. Man hatte recht großzügig begonnen, doch nach einigen Jahrzehnten war das Interesse erlahmt und der Geldfluss versiegt, sodass man die Fertigstellung eher als notdürftig bezeichnen konnte.
Die Mönche waren nicht sehr erfreut über den unerwarteten Besuch, vor allem nicht über die Frauen unter den Gästen, doch der Prior sah ein, dass die Reisenden in dieser Winternacht nicht im Freien bleiben konnten. Er befahl, den Frauen die wärmste der Gästekammern zu richten, in der er sogar zwei zusätzliche Kohlepfannen aufstellen ließ.
»Wenn ich wirklich Königin von Kastilien werde, dann lasse ich dieses Kloster zu einem der prächtigsten im ganzen Land ausbauen«, schwor Isabel, als sie sich ihre eisigen Hände über den glühenden Kohlen wärmte, während einer der Brüder für eine kräftigende Mahlzeit sorgte, die sogar Fleisch enthielt, obwohl die Kartäuser selbst streng darauf verzichteten. Von den Chormönchen, deren Zellen – wie in solchen Klöstern üblich – um den Kreuzgang angeordnet waren, bekamen die Frauen natürlich nichts zu sehen. Sie hatten sich der Suche nach Gott, dem Schweigen und der Einsamkeit verschrieben. Einer der Konversen bediente die Frauen, doch auch er schwieg und zog sich rasch wieder zu den anderen Laienbrüdern zurück.
Jimena schlief wie tot in dieser Nacht. Sie hörte die Mönche nicht, als sie sich zur Matutin erhoben, und auch nicht die Glocke und den Gesang zu Laudes. Als Jimena wieder erwachte, saß Teresa neben ihr an ihrem Lager und hielt ihre Hand.
Wie geht es dir?, fragte ihr Blick. Jimena fühlte in sich hinein. Natürlich hatte die Anstrengung der Tage ihre Spuren hinterlassen, dennoch fühlte sie keine Schmerzen, und auch die Kälte hatte keine bleibenden Schäden angerichtet.
»Gut!«, konnte sie voller Staunen sagen. Sie sprang aus dem Bett und sah nach Beatriz und Isabel, die sich ebenfalls erstaunlich gut erholt hatten. Sie durften sich über ein kräftiges Frühstück freuen, während es die Regel der Kartäuser zumindest den Chorbrüdern untersagte, am Morgen etwas zu sich zu nehmen. Nur die Laienbrüder, die die schwere, körperliche Arbeit erledigten, durften etwas frühstücken und mussten nicht ganz so streng fasten.
Als sie nach draußen traten, erwartete sie nicht nur ein sonniger Tag. Der Prior stellte ihnen für den Rest des Weges kräftige Maultiere zur Verfügung, die den zweiten Pass trittsicher überwinden sollten.
»Der Jungfrau Maria sei gedankt!«, stieß Beatriz aus, die sich sonst nicht gerade darum riss, auf einem Maultier herumgeschaukelt zu werden, doch dies war immer noch besser, als bergauf und bergab durch den Schnee zu stapfen!
Isabel war ebenfalls erleichtert und bekräftigte ihren Schwur vom Vorabend. Jimena war sich sicher, dass sie es nicht vergessen würde. Sie schwang sich auf das kräftige graue Tier, das sofort fleißig voranstrebte. Jimena trieb ihren Maulesel an Teresas Seite und betrachtete die stumme Cousine, die sehr zufrieden vor sich hinlächelte.
Ihr fielen die Gedanken wieder ein, die sie aufgefangen hatte. Teresa hatte es gewusst. Kein Zweifel. Offensichtlich waren ihre Ahnungen stärker, präziser und klarer zu deuten.
Ein Gedanke streifte ihren Sinn. Hatte Teresa es nur gesehen oder hatte sie gar dafür gesorgt, dass ihre Reise angenehmer wurde? War das möglich? Sie wusste es nicht. Jimena betrachtete das junge Mädchen neben sich mit Erstaunen, in das sich so etwas wie Ehrfurcht mischte. Ja, vielleicht war Teresa die Mächtigste aller weisen Frauen Kastiliens und würde noch für manche Überraschung sorgen.
Kapitel 28
Tordesillas, März 2012
Es war
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