Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
gute Idee.
»Villena fordert deinen und Andrés’ Kopf! Vielleicht solltet ihr beiden euch ein wenig bedeckt halten, bis die Sache aus der Welt ist.«
Sie ließen die vor sich hin schimpfende Beatriz zurück und begaben sich zum König. Hoheitsvoll schritten die Prinzessin von Kastilien und der Prinz von Aragón durch den Alcázar, obgleich sie wie Jimena am liebsten einfach zum König gestürmt wären. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät.
Jimenas Mut sank, als sie den König zwar wach und in besserer Verfassung, aber in Gesellschaft des Marquis de Villena vorfanden. Er hatte ihm seine Behauptung, eine Verschwörung aufgedeckt zu haben, bereits dargelegt, kein Zweifel. Die Miene des Königs war ein offenes Buch. Er starrte Isabel und Fernando fassungslos an, als sie sich mit einem Gruß und einer Verbeugung näherten. Fürchtete er, sie würden einen zweiten Mordversuch wagen? Zumindest versuchte es Juan Pacheco so darzustellen, denn er sprang auf, streckte ihnen abwehrend die Arme entgegen und rief dramatisch:
»Halt, keinen Schritt weiter! Ich werde nicht zögern, meinen König mit dem Schwert zu verteidigen.«
Der Leibarzt des Königs und sein Kammerdiener blickten verwirrt. In die Miene des Königs stieg Ärger, der nur durch den Zorn in Isabels Augen übertroffen wurde.
»Juan, mein Freund, haltet ein. Was glaubt Ihr? Dass meine Schwester einen Dolch in ihrem Gewand verborgen trägt?«
»Ich würde es ihr zutrauen«, knirschte der Marquis, doch der König wollte davon nichts hören. Stattdessen sah er seine Schwester erwartungsvoll an.
»Wir sind gekommen, um uns nach deinem Befinden zu erkundigen, lieber Bruder. Es freut mich, dein Gesicht wieder mit Farbe und deine Lebensgeister erwacht vorzufinden. Weniger erfreut mich zu hören, dass man dein Ohr mit schrecklichen Räubergeschichten beleidigt. Du weißt, dass das Unsinn ist! Niemand hat dich vergiftet. Dein Magen ist empfindlich, und das ist nicht das erste Mal, dass du nach einem Festmahl leiden musst!«
Der König wand sich. »Das ist schon richtig«, gab er zu, als der Marquis de Villena ihm ins Wort fiel.
»Lasst Euch nicht von der gespaltenen Zunge dieser Frau verwirren. Sie ist die Schlange aus dem Paradies. Die Zerstörerin. Ruft nach Euren Wachen und lasst sie in Ketten legen, ehe sie noch mehr Unheil anrichtet. Und ich werde mich persönlich um die Cabreras kümmern.«
Der König zögerte. Fernando öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Isabel trat ihm auf den Fuß.
»Enrique«, sagte sie sanft. »Prüfe dein Herz. Du weißt, dass an den Vorwürfen nichts Wahres sein kann. Frage dich lieber, welche Interessen der Marquis vertritt, dass er solch eine Lüge in die Welt setzt. Die des Königs und seines Reiches sind es ganz sicher nicht!«
Stille senkte sich über das königliche Gemach, und nicht einmal der Marquis getraute sich, sie zu durchbrechen. Nun war es am König, eine Entscheidung zu treffen. Ein anderer Herrscher hätte vermutlich seine Wachen gerufen und die möglichen Verschwörer erst einmal in ein Verlies werfen lassen, doch Enrique hatte sich seit jeher um wichtige Entscheidungen gedrückt. Jimena sah, wie sich die Unsicherheit in seinen Zügen ausbreitete. Nein, er würde es nicht über sich bringen, seine Schwester, die mit offenem Blick und äußerlich ruhig vor ihm stand, des Verrats zu bezichtigen und sie einsperren zu lassen.
»Ich weiß nicht«, sagte der König langsam. »Es ist ein schwerer Vorwurf, der nicht bewiesen ist. Ich denke, ich werde den Fall vor den Kronrat bringen. Dort wird man darüber beraten und ein Urteil fällen.«
Jimena ließ langsam die Luft entweichen, und auch Fernando und Isabel entspannten sich. Vermutlich hatten sie nicht nur Zeit gewonnen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass der Kronrat Isabel schuldig sprechen und auf eine Verhaftung bestehen würde, wenn der König selbst an ihrer Schuld zweifelte. Das war auch dem Marquis klar. Wütend stürmte er hinaus.
Isabel und Fernando wünschten dem König weiterhin gute Genesung und verabschiedeten sich ebenfalls. Mit ernsten Mienen kehrten sie in ihre Gemächer zurück.
»Wir müssen vorsichtig sein«, sagte Fernando düster. »Dies wird nicht der letzte Versuch des Marquis sein, uns auszuschalten.«
Isabel ballte die Fäuste. »Ja, das Beste wäre, ein plötzlicher Tod würde uns von ihm befreien!«
Jimena musste ihr im Stillen recht geben. Ihr Hals schmerzte bei jedem Atemzug, und es war ihr fast unmöglich zu schlucken. Ein
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