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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Ein paar Opfer gab es auch unter den Konvertiten, die man noch häufig in der Judería und sogar in der Synagoge antrifft.«
    Isabel strich mit der für sie so typischen Geste ihre Röcke glatt. »Ich will mir selbst ein Bild von der Lage machen. Don Andrés, würdet Ihr mich bitte begleiten?«
    Der Statthalter starrte sie entsetzt an. »Ihr wollt jetzt in die Stadt? Nein, Hoheit, das ist viel zu gefährlich.«
    »Aber sagtet Ihr nicht, der Brand der Häuser und der Gemüter sei gelöscht?«, widersprach Isabel.
    »Ja, schon.« Er wand sich. »Aber das solltet Ihr Euch nicht antun. Wartet, bis man die schlimmsten Folgen beseitigt hat.«
    Isabels Stimme klang leise und ein wenig traurig. »Warum? Um mein Gemüt nicht zu erschrecken? Um mich nicht mit dem Anblick von Tod und Blut zu belasten? Don Andrés, wenn der Herr im Himmel es so will, dann werde ich vielleicht nach meinem Bruder Enrique Königin dieses Landes sein. Vielleicht sollte ich mir auch seine Schattenseiten ansehen.«
    Don Andrés musste sich geschlagen geben. Es gelang ihm, sie zumindest so lange hinzuhalten, bis die meisten Toten davongetragen worden waren, doch als Isabel am frühen Abend neben Jimena durch die Gassen schritt, brauchte man nicht viel Fantasie, um sich den Schrecken auszumalen, der den Morgen in Blut ertränkt hatte. Don Andrés begleitete die Damen mit einem Dutzend Bewaffneter, um ja kein Risiko einzugehen, während Beatriz lieber mit Teresa im Alcázar zurückgeblieben war.
    Es herrschte eine seltsame Stimmung in der Stadt. Sie begegneten nur wenigen Menschen, was wohl auch daran lag, dass der Statthalter allen befohlen hatte, in ihre Häuser zurückzukehren. Aus den Synagogen und so manchem Haus konnten sie die Klagegesänge der Überlebenden hören, während sie schweigend an blutbespritzten Wänden entlangschritten.
    Woher das immer so schnell kommt?, fragte sich Jimena bitter. Warum war die Bereitschaft zuzuschlagen so groß, dass man nicht einmal nachdenken wollte? Hatte man nicht Jahr um Jahr nebeneinander und miteinander in Segovia gelebt? Selbst wenn die Juden ihr eigenes Viertel bewohnten, so waren sie doch ein Teil dieser Stadt. Die Menschen kannten einander oft von Kindesbeinen an, sie sprachen miteinander und tauschten ihre Waren. Viele christliche Familien waren verwandtschaftlich mit denen der Konvertiten verbunden, die wiederum häufig noch Kontakte zu ihren jüdischen Verwandten pflegten. Woher also rührten dieser unüberwindliche Hass und das Unvermögen, die Menschen, die anders beteten, zu akzeptieren?

Kapitel 31
    Valladolid, März 2012
    Mit klopfendem Herzen betrat Isaura das Krankenzimmer. Man hatte ihr einen sterilen Kittel übergezogen und einen Mundschutz umgebunden. Das allein reichte schon, um ihren Puls nach oben zu treiben. Keiner konnte oder wollte ihr sagen, wie es um Justus stand, doch allein diese Vorsichtsmaßnahmen sagten ihr, dass es alles andere als gut sein musste.
    Er lag allein in einem Krankenzimmer der Intensivstation. Fast widerstrebend trat Isaura näher heran. Sie versuchte die blinkenden und piependen Apparate zu ignorieren und die Schläuche, mit denen er verbunden war, doch sie konnte nicht verhindern, dass sie seine zahlreichen Verbände registrierte und dazu auch die Tatsache, dass er nicht nur Infusionen bekam, sondern auch beatmet werden musste. Seine verquollenen Augen waren geschlossen. Vermutlich bekam er nichts davon mit, was um ihn herum vor sich ging.
    Da war es wieder, dieses überwältigende Gefühl von Schuld. Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden, und ließ sich auf den Stuhl sinken, den die Schwester ihr heranschob.
    »Gracias«, murmelte sie dankbar.
    »De nada, bitte«, sagte die junge schwarzhaarige Schwester, die sie aufmunternd anlächelte.
    »Hable con su marido«, fügte sie hinzu. »No sé, quizás puede entenderla.«
    Obwohl Isaura mit ihrer Spanischlernerei noch nicht viel weitergekommen war, verstand sie, was die Schwester ihr riet: »Sprechen Sie mit Ihrem Mann. Vielleicht kann er es hören.«
    Sie wartete, bis die junge Frau die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe sie ihre Hand zaghaft auf die ihres Mannes legte, in dessen Handrücken eine Kanüle mit einem Schlauch steckte. Seine Haut war blass und fühlte sich faltig und kalt an, als sei er in dieser einen Nacht um zwanzig Jahre gealtert. Es fiel ihr schwer, ihm ins Gesicht zu blicken. Würde er einst so aussehen – wenn er dieses Alter überhaupt erreichte? Falls er diesen Unfall überlebte, und

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