Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Seidenschal verbarg die hässlichen roten Flecken, die sich schon bald bläulich zu verfärben begannen.
Ja, das Beste wäre, der Tod würde ihn holen, wiederholte sie Isabels Gedanken, als sie sich beim Frühmahl mühte, wenigstens ein paar Löffel warme Grütze herunterzuschlucken. Gott möge ihn verfluchen und seine Seele dem Teufel zum Fraß vorwerfen!
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Alcázar von Segovia: Sein Kammerdiener hatte Juan Pacheco, den Marquis de Villena, am Morgen tot in seinem Bett gefunden. Der König war betrübt und schickte seinen Leibarzt, um den plötzlichen Tod seines Vertrauten zu untersuchen, doch der hob nur die Schultern.
»Er weist keine Verletzungen auf. Ich kann nicht sagen, was ihn getötet hat, Majestät.«
»Gift? Ein plötzlicher Schlagfluss?«
»Nein, nichts, das mit bekannt wäre.«
Isabel versuchte zumindest, eine ernste Miene zu wahren. Beatriz dagegen frohlockte ganz offen und wurde von ihrem Gatten streng gerügt.
»Ja, wir teilen alle deine Gefühle«, stimmte er ihr zu. »Dennoch ist es nicht klug, sie zu zeigen, oder willst du den Verdacht auf dich laden, etwas mit dem Tod des Marquis zu tun zu haben?«
»Das habe ich nicht«, wehrte sie hitzig ab. »Dennoch darf ich mich freuen, dass wir diese Pest endlich los sind.«
Ja, Beatriz hatte nichts mit dem Tod des Marquis zu tun, doch konnte Jimena das von sich ebenfalls behaupten? Sie schlich sich in die Kapelle, wo der Tote aufgebahrt lag, und betrachtete sein Gesicht. Nein, einen friedlichen Tod war er nicht gestorben. Seine Augen waren noch immer vor Entsetzen weit aufgerissen und seine Züge in Pein verzerrt.
Was hatte ihn getötet?
Jimena hatte ihm gedroht und ihn verwünscht, doch hatte das ausgereicht, um ihn zu töten? Sie hatte kein Ritual abgehalten oder sich an ihren Kräften versucht. War es ihr wieder einfach passiert, dass ohne ihr Wissen und ihren Willen sich ihre zerstörerische Macht entfaltet hatte?
Jimena seufzte. Vielleicht ohne ihr Wissen, aber ganz sicher nicht ohne ihren Willen. Sie hatte Juan Pacheco den Tod gewünscht. Mehr als je einem anderen Menschen zuvor. Warum sollte sie sich jetzt beklagen?
Ich beklage mich nicht, dachte sie, den Blick noch immer auf die verzerrte Fratze des Toten gerichtet, es ist nur ein wenig unheimlich.
Falls Isabel und ihre Anhänger geglaubt hatten, mit dem Tod des Marquis de Villena würde alles einfacher werden, so hatten sie sich getäuscht. Nicht, dass Juan Pacheco viele Freunde gehabt hätte. Doch sein Tod hinterließ eine Lücke im Machtgefüge des Landes, die so mancher der Granden gern gefüllt hätte. Vor allem der Posten des Großmeisters war ein begehrtes Ziel, um das fast jeder Einsatz gerechtfertigt schien. Und so marschierten wieder einmal Truppen im Land auf, Kämpfe brachen aus, Dörfer wurden niedergebrannt, Menschen geschändet und getötet. Und noch eine böse Saat, die der Marquis de Villena gesät hatte, ging auf: Vielerorts flammten wieder das Misstrauen und der Hass gegen Juden und Konvertiten auf, die sich an Christen bereicherten, ihnen Posten und Einfluss raubten und sich beim König einschmeichelten, um noch mehr Privilegien zu ergaunern. So jedenfalls lauteten die immer gleichen Vorwürfe.
Erstaunlicherweise allerdings wuchs in diesen Monaten auch die Zahl derer, die sich auf Isabels Seite schlugen. Anderseits wurden die Juanaverfechter immer radikaler und scheuten keine noch so böse Verleumdung, um Isabel in ein schlechtes Licht zu rücken.
Der König sah die Entwicklung mit Sorge, wusste aber nicht, wie er dem begegnen sollte. Segovias Gunst hatte er längst an Isabel verloren, und so setzte er ein Schreiben auf, in dem er seine Schwester wieder als Erbin benannte. Zumindest behauptete Kardinal Mendoza, der König habe ihm solch ein Dokument gegeben, bevor Enrique Segovia überstürzt verließ und sich nach Madrid zurückzog.
Es sollte ein unglücklicher Tag für die ganze Stadt werden, aber nicht, weil ihr König sie verließ. Obwohl vielleicht seine hastige Abreise der Funke war, der das Pulver zur Explosion brachte. Der Marquis de Villena und viele andere hatten es verstanden, den hasserfüllten Neid auf Juden und Konvertiten zu nähren, der schwelte, bis er sich an diesem Tag in Segovia entfesselte. Jimena wusste nicht, woran sich die Lunte entzündete, doch es war wie so oft in der Geschichte des Volkes Israel: Nachdem einer oder ein paar wenige die unsichtbare Linie der Vernunft überschritten und
Weitere Kostenlose Bücher