Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
könne sie verraten.
»Und warum kommt Ihr mitten in der Nacht zu mir, um mir all das zu erzählen?«, erkundigte sich Don Beltrán müde.
»Weil man den König davon überzeugen muss, dass es jetzt Zeit ist zu handeln! Dass er Strenge zeigen und hart bleiben muss!«, rief der Marquis de Villena erzürnt.
» Man muss ihn überzeugen?« Don Beltrán stöhnte. »Ach, Ihr meint, ich sollte das tun? Warum geht Ihr nicht selbst zu ihm und unterbreitet ihm die Verschwörung, die Ihr Euch so schön ausgedacht habt?«
»Das werde ich auch tun!«, fauchte Juan Pacheco. »Ich dachte nur, Euch läge das Wohl des Königs ebenfalls am Herzen. – Oder zumindest das der Königin und ihrer Tochter«, fügte er gehässig hinzu.
»Das liegt es durchaus«, sagte der Graf bedächtig, »doch ich frage mich, was Euch am meisten umtreibt, und da würde ich nicht das Wohl des Königs an erster Stelle vermuten.«
Jimena musste trotz des Ernstes der Lage ein Grinsen unterdrücken. Don Beltrán hatte offensichtlich nicht vergessen, dass Villena seinerzeit beim König gegen ihn intrigiert und ihm den Posten als Großmeister des Santiago-Ordens entrissen hatte.
»Ihr wollt mich also nicht unterstützen?«
»Ich will jetzt noch ein wenig schlafen und bitte Euch, mein Gemach zu verlassen!«, kam die ernüchternde Antwort.
Ehe Jimena reagieren und sich ein Versteck suchen konnte, wurde die Tür aufgerissen, und sie starrte dem Marquis de Villena geradewegs in die Augen. Trotz der Überraschung reagierte er erstaunlich schnell. Er ergriff ihre Arme und umklammerte ihre Handgelenke mit eisernem Griff.
»Wen haben wir denn hier? Bist du eine von Beltráns Bettnymphen?«
Jimena wäre es in diesem Augenblick sogar recht gewesen, den Marquis dies glauben machen zu können, doch wirklich überzeugt war er nicht.
»Nein, du kleine Hexe. Isabel schickt dich, um herumzuspionieren, nicht wahr?«
Jimena schüttelte den Kopf und versuchte, nicht vor Schmerz zu stöhnen. »Nein, Ihre Hoheit hat damit nichts zu tun.«
»Und wenn schon«, stieß er verächtlich aus. »Bald ist es gleichgültig, was Isabel zu tun gedenkt. Und dich bringe ich am besten gleich zum Schweigen!«
Ehe sie es sich versah, zog er sie mit seiner Linken hart zu sich und umklammerte mit seiner Rechten ihren Hals.
»Lasst mich los«, keuchte Jimena, »sonst werdet Ihr es bereuen!«
Er reagierte nicht. Stattdessen krallten sich seine Finger in ihren Hals und drückten ihr die Luft ab. Vor ihren Augen begannen rote Flecken zu tanzen. Die Todesangst schlug über ihr zusammen. Die Fluten rissen den Damm nieder, und die Magie flutete durch ihren Geist und Körper. Wie durch einen Schleier sah sie Don Beltrán in der Tür auftauchen.
»Pacheco, beim Herrn im Himmel, lasst das Mädchen los!«, rief er, doch da fuhr der Marquis bereits mit einem Schrei zurück. Er starrte auf seine Handflächen herab, auf denen sich riesige Blasen zu bilden begannen, als habe er ins Feuer gefasst.
»Du gemeingefährliche Hexe!«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Ich werde dafür sorgen, dass du brennen musst!«
Jimena schnappte nach Luft und rieb sich ihren schmerzenden Hals. »Nein, das werdet Ihr nicht, Marquis. Eure eigenen Tage sind gezählt!«
Und damit wandte sie sich ab und floh den Gang entlang und die Treppe hinunter in den Hof. Sobald sie wieder zu Atem gekommen war, lief sie zurück und riss Isabel und Fernando aus dem Schlaf. Sie ahnte, dass der Marquis keine Zeit verstreichen lassen würde, dem König seine Anschuldigungen vorzutragen.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Fernando ratlos. »Wir können doch nicht um diese Zeit in das Gemach des Königs eindringen und uns gegen einen Vorwurf verteidigen, den noch keiner erhoben hat.«
»Wir können aber auch nicht warten, bis man uns in Ketten legt und vor Gericht zerrt!«, rief Isabel hitzig.
Jimena wiegte den Kopf hin und her. »Auf alle Fälle solltet Ihr Euch zuerst ankleiden. In dieser Aufmachung vor den König zu treten ist sicher kein guter Einfall. Und dann ist es sicher ohnehin so spät, dass man sich bereits nach seinem Befinden erkundigen kann. Der König war stets ein Frühaufsteher, den es bereits im Morgengrauen aus den Federn treibt.«
So ließen sich Isabel und Fernando beim Ankleiden helfen und machten sich dann auf den Weg zum König. Pedro Vaca und Jimena begleiteten sie. Beatriz, die verschlafen in der Tür auftauchte, begehrte ebenfalls mitzukommen, doch Jimena hielt dies für keine
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