Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
angebratene Speckscheiben hüllte. Isaura seufzte wohlig, während sie die Olivencreme durchrührte. Neugierig schnuppernd strich der Kater durch die Küche und ließ sich ein Stück Schinken verehren. Es roch nach gebackenen Zwiebeln, Knoblauch und allerlei Kräutern, und sie war berauscht, noch ehe sie ihr erstes Glas Wein geleert hatte. Nein, heute lag es nicht an der zu großen Menge Alkohol! Längst waren sie zum vertraulichen Du übergegangen und schnippelten, rührten und brutzelten in trauter Harmonie. Und da jedes Gericht auch gleich gründlich probiert werden musste, waren sie beide satt, ehe das Fleisch für den Hauptgang überhaupt in der Pfanne landete.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Isaura und ließ sich in ihren Sessel fallen. »Sieh nur, wie viele von den leckeren Tapas noch übrig sind. Den Hauptgang müssen wir ausfallen lassen!«
»Das geht nicht!«, protestierte Marco. »Es ist völlig normal, dass man sich ab sieben Uhr in verschiedenen Bars den Bauch mit Tapas vollschlägt und sich ein paar Copitas genehmigt, ehe man dann gegen zehn zum richtigen Abendessen übergeht.«
»Um zehn?«, rief Isaura entsetzt.
»Ja, natürlich, so ist es hier in Kastilien üblich. Dann isst und trinkt man noch so zwei Stunden, sitzt noch ein wenig zusammen und geht dann irgendwann weit nach Mitternacht oder auch erst in den frühen Morgenstunden zu Bett.«
»Um dann um acht Uhr morgens am OP-Tisch zu stehen?«
Er zog eine Grimasse. »Das ist ein echter Nachteil, muss ich zugeben. Als Student konnte man es sich leisten, nach dem Essen noch ein wenig durch die Bars und Discos zu ziehen, um die Nacht dann bei Churros und Schokolade ausklingen zu lassen und mit dem Hahnenschrei ins Bett zu fallen.«
Isaura lachte. »Aha, ich habe mich schon gefragt, wann wir wieder auf die berühmten Churros zurückkommen.«
»Wie ich schon sagte, auch für einen hart arbeitenden Studenten sind sie das Lebenselixier.«
Sie gluckste. »Ja, das hört sich wirklich nach einem sehr eifrigen Studenten an. Ich frage mich, wie du es geschafft hast, dein Examen zu bestehen, wenn du dir immer die Nächte um die Ohren geschlagen hast. Und außerdem, wie du noch so schlank sein kannst, wenn du solche Essgewohnheiten an den Tag legst!«
Marco lud sich noch einmal den Teller mit Tortillas und Chorizo voll und setzte sich zu ihr an den Tisch. Er tauchte sein Brotstück in die Schüssel mit Aioli und seufzte dramatisch. »Das liegt nur an den kargen Jahren in Deutschland. Ich muss noch immer so viel nachholen. Gibst du mir noch ein paar von den Käsebällchen?«
Der Mond stand hoch am sternenklaren Himmel, als sie sich im Hof voneinander verabschiedeten. Er nahm ihre beiden Hände und hauchte einen Kuss auf ihre Finger.
»Es war ein wunderschöner Abend. Ich danke dir.«
»Ich habe dir zu danken, mein Doktor und Gourmetkoch«, gab Isaura zurück.
Er beugte sich vor und küsste ihre Wangen zum Abschied, wie unter Spaniern üblich, doch sie glaubte, eine Zärtlichkeit darin zu spüren, die mehr war.
»Danke. Wenn du wieder einmal eine Küche suchst, um deine Künste entfalten zu können, und auch mit einem ungeübten Küchenmädchen vorliebnimmst, dann weißt du ja jetzt, wo du die Zufahrt zu meinem feudalen Anwesen findest.«
Marco sah sich um. Die Nacht versteckte gnädig die schlimmsten Schäden.
Der Mond strich mit seinem silbernen Licht über das Haus und den Garten und verlieh selbst der Scheune und den Schuppen einen schmeichelhaften Schimmer.
»Ja, ein wunderschönes Anwesen«, sagte er, und Isaura spürte, wie ernst er es meinte. »Ich werde gern wiederkommen.«
Er streichelte Golondrino zum Abschied, der huldvoll neben Isaura saß, stieg in seinen Wagen und fuhr langsam davon.
Kapitel 38
Tordesillas, 1475
Sie zogen nach Norden. Schon nach wenigen Stunden hatte sich das Heer in zwei große Gruppen aufgeteilt. Vornweg ritten der König und Kardinal Mendoza mit ihren Rittern und den Bogenschützen. Ihnen folgten die leicht bewaffneten Fußtruppen, die in geradezu übermenschlicher Anstrengung mit den Reitern Schritt hielten und so mehr als dreißig Meilen an einem Tag zurücklegten. Die schwer bewaffneten Infanteristen mit ihren Spießen und Streitäxten, die wenigen Kanonen auf ihren schweren Karren und der ganze Tross fielen dagegen immer weiter zurück.
Beatriz versuchte nur einmal, Isabel zu überreden, beim Tross zu bleiben. Der Blick, den die Königin ihr daraufhin zuwarf, ließ sie resignierend die Arme heben.
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