Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Jimena wissen und spürte, wie ihr bei dem Blick, den die Klarisse ihr zuwarf, bang wurde.
»Man darf die Hoffnung niemals aufgeben; alles liegt in Gottes Hand«, sagte sie, was nicht gerade dazu beitrug, Jimena zu beruhigen.
Sie folgte der Schwester durch einen zweiten Hof und eilte neben ihr einen Kreuzgang entlang, wo sie bereits die Schreie vernahm. Jimena wartete nicht auf die Portnerin, sie stürzte los und lief in die Kammer, wo Isabel auf einem spartanischen Lager kauerte. Zwei Nonnen versuchten sie zum Aufstehen zu bewegen, doch die Krämpfe waren zu stark, als dass sie sich auf den Beinen hätte halten können. Das Laken war von Blut durchtränkt, und sie schrie von Schmerzen gepeinigt. Nein, es überraschte Jimena nicht, Teresa an ihrer Seite zu finden. Die warf Jimena einen Blick zu, in dem all ihre Besorgnis geschrieben stand, dann wandte sie sich an Isabel und umfasste ihre Handgelenke. Sie versuchte ihr den Schmerz zu nehmen und ihre Angst zu besänftigen. Die Schreie erstarben, und für einen Moment lösten sich die Krämpfe.
»Nehmt sie hoch«, befahl Jimena und schob eine der Schwestern weg, um unter Isabels Arm greifen zu können. »Ja, und nun geh in die Hocke«, wies sie die Königin an. »Du musst pressen. Gib nicht nach! Wenn du leben willst, muss das Kind jetzt raus!«
Isabel wimmerte nur, als die nächste Welle von Wehen sie erfasste.
»Wie lange hat sie schon diese starken Wehen?«, erkundigte sich Jimena.
»Das geht seit dem ersten Stundengesang so«, rief eine der Schwestern über Isabels Schreie hinweg. Teresa und Jimena wechselten Blicke. Sie wussten beide, dass es schlecht um Mutter und Kind stand. Dass man das Leben des Prinzen nicht mehr retten konnte, hatten sie bereits in ihren Träumen gesehen, doch um die Königin mussten sie kämpfen. Jimena verstand, warum sich ihre Visionen verdüstert hatten und die Bilder im Nebel verschwammen. Jetzt lag es in ihren Händen, welchen Weg das Schicksal nehmen würde, ob Königin Isabel ihr Land in eine goldene Zeit würde führen können oder ob sie hier mit dem toten Prinzen in ihrem Leib elendig sterben musste.
Isabel ahnte, wie es um sie stand. Für einen Moment ließ der Schmerz der Wehen nach, und sie sah Jimena an.
»Ich werde nicht sterben«, keuchte sie. »Mein Land braucht mich!«
»Ja, du musst kämpfen!«, gab Jimena zurück.
Und es wurde ein Kampf. Vielleicht der härteste, den Isabel bis dahin in ihrem Leben auszufechten hatte. Es dauerte noch Stunden, bis Teresa den toten Knaben in ihren Armen hielt und Isabel zu Tode erschöpft ohnmächtig zusammenbrach.
Am Abend, als sie zum ersten Mal die Augen öffnete und sich einige Schlucke heißen Kräutersud mit Honig einflößen ließ, brachte man Fernando zu ihr. Er war bleich, und seine Sorge ließ ihn wie einen alten Mann wirken.
»Wie geht es ihr?«, flüsterte er und suchte in Jimenas Miene nach Hoffnung. »Was ist mit dem Kind?«
Jimena ließ es zu, dass er nach ihren Händen griff und sie drückte, als seien sie der einzige Halt, der ihm noch blieb.
»Der Prinz ist bereits in ihrem Leib gestorben«, sagte sie sanft. »Die Strapazen der vergangenen Wochen waren zu viel für ihn.«
»Und für Isabel«, stieß Fernando hervor. »Ach, warum ist sie nicht in Segovia geblieben?«
»Weil sie die Königin ist und das Land sie braucht, das weiß sie«, gab Jimena zurück.
»Ja, und ich brauche sie auch, doch wird sie sich davon erholen können?«
Er starrte auf das bleiche Gesicht seiner Frau herab, das so schmal und zerbrechlich wirkte. Ihre Augen waren geschlossen. Sie hatte wieder das Bewusstsein verloren. Was war aus der Königin geworden, die so viel Kraft und Energie ausgestrahlt hatte, dass sie selbst die Verzagten und Erschöpften mitriss und ihnen neuen Mut gab?
»Ich werde alles tun«, sagte Jimena wild entschlossen. Sie kämpfte gegen den Nebel, der noch immer nicht weichen wollte. »Lasst sie hier. Bei den Klarissen ist sie in guten Händen. Und nun geht, Majestät, und sorgt dafür, dass die Königin noch ein Land hat, wenn sie sich von ihrem Lager erhebt.«
Fernando trat ans Bett und hauchte einen Kuss auf die fiebrigen Wangen, dann drehte er sich wieder zu Jimena um.
»Ich verlasse mich auf Euch, Doña Jimena. Wie Ihr schon sagtet, ihr Land und ihr Volk brauchen sie, und ich brauche sie auch! Enttäuscht mich nicht. Ich könnte es nicht ertragen.«
»Ich weiß«, sagte sie, und dieses Mal griff sie nach seinen Händen. Der König zog sie mit einer
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