Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Boten vorausgeschickt und ihre Ankunft gemeldet. Wannen mit frischem Wasser standen bereit, in denen sie sich den Staub von der Haut waschen konnten, weiche Betten waren mit frischem Linnen bedeckt, und eine Tafel bog sich unter den vielen Köstlichkeiten. Nur noch ein kleines Stück die Straße hoch, durch das Tor und dann hinüber zum Palast, wo sie ihre geschundenen Glieder aus dem Sattel gleiten lassen konnten.
Jimena war sogar zu erschöpft, um sich selbst für diese sehnsuchtsvollen Gedanken zu rügen. Sie war einfach nur erleichtert, sich in dieser Nacht erholen zu können. Und damit stand sie nicht allein. Auch die Hidalgos und hohen Adelsmänner, die im Palast unterkamen, zogen sich erstaunlich früh in ihre Betten zurück. Selbst im Lager des Heeres vor der Stadt kehrte schon bald Ruhe ein.
Jimena schlief tief und traumlos in dieser Nacht. Erst in den frühen Morgenstunden begannen sie wieder die Ahnungen zu quälen. Sie warf sich unruhig von einer Seite auf die andere, bemerkte aber nicht, dass sich Teresa aufsetzte und die Decke zurückschlug, nach ihren Schuhen angelte, sich ein einfaches Gewand überwarf und hinaushuschte. Jimena stöhnte. Sie träumte von Schmerzen. Krämpfe schienen ihren Leib zerreißen zu wollen. Blut lief an ihren Beinen herab. Sie bäumte sich auf und schrie vor Pein und Entsetzen. Das Unglück brach ihr das Herz. Sie lief durch Nebel auf der Suche nach etwas, das sie nicht benennen konnte. Sie wollte es festhalten, auch wenn sie wusste, dass sie es für immer verloren hatte. Gott hatte es ihr genommen. Nein, sie selbst hatte die Entscheidung gefasst, mit der sie nun nicht mehr leben zu können glaubte.
Plötzlich wurde Jimena bewusst, dass es nicht ihr Schmerz war. Nicht ihr Blut und auch nicht ihr Verlust. Sie fuhr hoch und rieb sich verwirrt die Augen. Was würde geschehen? Oder war es schon passiert? Ihr Blick blieb an der leeren Betthälfte hängen.
Teresa? Hatte auch sie das Beben gespürt? Aber ja, doch im Gegensatz zu ihr hatte Teresa gleich verstanden, was die Träume ihr sagen wollten. Mit einem Satz war Jimena aus dem Bett. Im Hinauslaufen zog sie sich ihr Gewand über und stürmte dann, ohne anzuklopfen, in Isabels Gemach. Erst als sie schon mitten im Zimmer stand, wurde ihr bewusst, wie ungehörig ihr Verhalten war. Ihre Augen brauchten noch einige Augenblicke, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das Bett war leer! Obgleich leise Schnarchtöne durch das Gemach hallten, waren weder Fernando noch Isabel hier. Jimena entdeckte Beatriz in einem schmalen Bett an der Wand. Sie lag auf dem Rücken, den Mund leicht geöffnet, und schlief fest. Für einen Moment erwog Jimena, sie zu wecken, doch sie ließ es. Beatriz war erschöpfter als sie alle und brauchte die Erholung.
Leise zog sich Jimena wieder auf den Gang zurück. Was jetzt? Wo war Isabel? Hatte sie sich getäuscht? Wollten ihre Träume sie nur warnen?
Nein, sie konnte ein Ziehen spüren, das sich zu einem unangenehmen Schmerz auswuchs, der ihren Körper und ihren Geist zu beherrschen drohte.
Sie litt, ohne Zweifel. Aber wo war sie?
Jimena versuchte sich in ihren Geist zu versenken, wie es Dominga ihr einst beigebracht hatte. Die Mauern des Palasts um sie wichen zurück. Sie gab sich ganz ihrer Vision hin.
Wo war Isabel? Was geschah mit ihr?
Ihre Füße setzten sich in Bewegung. Erst langsam, dann immer schneller. Jimena rannte zum Tor.
»Doña, was wollt Ihr zu dieser Stunde?«, sprach sie einer der Wächter an.
»Die Königin«, keuchte Jimena. »Hat sie den Palast verlassen?«
Der Wächter nickte. »Ja, aber das war schon kurz nach Mitternacht. Ihre Majestät ließ sich von zwei Bewaffneten begleiten, die aber schon bald zurückkamen. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist. Und dann hat kurz danach das stumme Fräulein den Palast verlassen und ist ebenfalls noch nicht zurückgekehrt«, fügte er hinzu und schnalzte mit der Zunge, um seinen Unmut auszudrücken.
Jimena hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Sie drückte sich durch die Pforte und rannte weiter. Ihr Geist wusste, wohin sie sich wenden musste. Sie folgte der Straße, die entlang der Ufermauer nach Osten verlief, die sie vor die Tore des Convento de Santa Clara führte. Mit den Fäusten hämmerte Jimena gegen die Tür, bis die Portnerin sie endlich einließ.
»Wo ist die Königin?«, rief sie, ohne sich mit irgendwelchen Höflichkeiten aufzuhalten.
Stumm winkte die Schwester ihr zu folgen.
»Wie steht es um sie?«, wollte
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