Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
gesetzt, dass sie Justus aus dem Koma holen?«
Das Erstarren zeigte ihr, dass Sandy keine Ahnung gehabt hatte, und Isaura ließ es zu, dass ein Gefühl der Genugtuung in ihr aufstieg.
Sandy antwortete nicht direkt und stieß stattdessen hervor: »Und was ist nun mit ihm?«
Isaura wusste, dass es kindisch war, doch sie genoss in diesem Moment ihre Macht und zog die Antwort in die Länge. »Ja, sie haben die Beatmung vor einiger Zeit ausgeschaltet.«
»Weiter! Was ist passiert?« Ihre Stimme kletterte höher, sodass sie fast ein Kreischen war.
»Er ist aufgewacht«, gab Isaura gnädig zur Antwort und erkannte die gleiche Angst in Sandys Blick, die sie noch vor einer Stunde an Justus’ Bett empfunden hatte. Fast schämte sie sich ihrer niederen Rachegelüste.
»Er ist bei Bewusstsein und kann sich an fast alles erinnern, was vorher geschehen ist. Nur an den Unfall selbst nicht mehr, aber das ist normal, dass bei einer Kopfverletzung das Kurzzeitgedächtnis ausfällt und so eine kleine Lücke bleibt. Es geht ihm gut – soweit man das in dieser Lage sagen kann.«
»Gut?«, keifte Sandy. »Ja, er hat ja nur noch ein paar gebrochene Knochen und was weiß ich noch alles! Das ist alles Ihre Schuld, das weiß ich genau!«
Von Sandy ließ sich Isaura das nicht sagen. Sie setzte ihre eisigste Miene auf.
»Ach ja? Sie meinen, weil ich es nicht verhindert habe, dass er Ihnen aus Versehen ein Kind gemacht hat und mit schlechtem Gewissen nach Spanien gejettet ist, um mir das während einer Autofahrt kurz zu sagen? Ja, ich hätte meinem Mann in den zehn Jahren unserer Ehe besseres Benehmen beibringen sollen. Doch jetzt ist es zu spät. Nehmen Sie ihn und versuchen Sie Ihr Glück – und hoffen Sie, dass es Ihnen in ein paar Jahren nicht ebenso geht!«
Und damit machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte davon.
»Ich habe lange gewartet, doch Sie sind nicht zurückgekommen.«
Isaura sah ihn nicht an. »Wundert Sie das?«
Der Arzt seufzte. »Nein. Es hätte mich gewundert, wenn Sie sich beide an seinem Bett niedergelassen hätten – und vermutlich wäre ich sofort eingeschritten, um die Genesungsfortschritte meines Patienten nicht zu gefährden.«
Nun sah Isaura von ihrem Kaffee hoch und schnitt eine Grimasse. »Ach, Sie meinen, wir wären uns vor Justus an den Hals gegangen?«
Er grinste entwaffnend. »Die Gefahr würde ich zumindest nicht ausschließen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Aber ja«, erlaubte sie mit einem Seufzer.
»Und gestatten Sie mir auch, Churros zu bestellen?«
Obgleich ihr nicht zum Lachen zumute war, entschlüpfte ihr ein Auflachen.
»Ist das Ihr Allheilmittel, Herr Doktor?«
»Außer bei Knochenbrüchen und ein paar anderen Lappalien, aber sicher«, behauptete er augenzwinkernd. Isaura gab sich geschlagen.
»Ich nehme an, Sie sind bereits aufeinandergetroffen und haben sich daher zurückgezogen?«
Isaura nickte. »Ich wollte ja nicht die Genesung Ihres Patienten gefährden«, wiederholte sie die Worte des Doktors.
Er nickte. »Es war nicht in meinem Sinn, dass sie so früh kam.«
»Ich weiß«, gab Isaura mit einem leichten Lächeln zu. »Ich darf Sie nicht des Verrats bezichtigen.«
»Nein!«, bestätigte er mit Nachdruck. »Ich hätte diese Diskussion gern noch ein wenig hinausgeschoben.«
Isaura wollte nachfragen, als ihr klar wurde, wovon er sprach.
»Marco, hat Sandy Sie schon wieder wegen Justus’ Verlegung gequält?«
Der Arzt nickte und tauchte einen der Churros in die dickflüssige Schokolade.
»Und? Wie haben Sie entschieden?«
»Ich habe zum Ärger dieser Frau gar nicht entschieden. Sie, Isaura, werden die Entscheidung treffen. Sie, gemeinsam mit Ihrem Mann«, berichtigte er.
Sie sah ihn schief von der Seite an. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Justus das nicht allein entscheiden darf? Oder haben Sie bei Ihrer Untersuchung irgendwelche Defekte festgestellt?«
»Nein, das nicht, doch ehe ich meine medizinisch begründete Erlaubnis erteile, möchte ich wissen, was Sie darüber denken.«
Isaura rührte in der Schokolade. Sie ließ sich Zeit, ehe sie leise sagte: »Lassen Sie ihn gehen. Es ist vorbei. Ich muss ihn so oder so ziehen lassen, also warum nicht jetzt gleich?«
»Gut, dann werde ich die Papiere vorbereiten lassen.« Er stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es ist schwer loszulassen, doch irgendwann muss man den ersten Schritt tun. Ich muss jetzt leider zurück in die Klinik, aber Sie stehen erst auf, wenn Sie alle Churros
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