Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
schüren? Morgen kommt es zur großen Schlacht. Der Plan ging auf. Die Befreiung Zamoras hat Alfonso gereizt und aus der Reserve gelockt. Nun hetzen sie ihre Heere auf irgendeinem Feld aufeinander, das schon in wenigen Stunden mit Blut getränkt sein wird. Aber das weißt du ja sicher selbst.«
Du bist verbittert, aber das solltest du nicht sein, mein Kind, erklang Domingas Stimme ungewohnt sanft in ihrem Kopf. Noch immer war sich Jimena nicht sicher, ob sie dort am anderen Ufer wirklich jemanden sah oder ob sie sich diese Erscheinung nur einbildete.
»Warum bist du hier?«, verlangte Jimena zu wissen.
Um dir zu sagen, dass du alles sehr gut getan hast. Und um dich daran zu erinnern, dass ich im Geist immer bei dir bin. Ich beobachte dich und Teresa, auch wenn ich nicht in eurer Nähe sein kann. Es wäre zu gefährlich.
»Für dich?«, fragte Jimena ungläubig. Wer hätte der mächtigen, weisen Frau gefährlich werden können?
Nein, für dich und Teresa. Es wäre nicht gut, wenn man euch zu oft in meiner Gesellschaft sieht. Mein Stern ist im Sinken. Bald werden Kräfte in der Kirche Macht gewinnen, die unsereins nicht nur mit Misstrauen beobachten. Es kommen schwere Zeiten auf das Land zu – auf ganz Europa. Überall werden die Feuer brennen und die Schreie der Gequälten nicht mehr verstummen.
Jimena verstand nicht. Sie wollte nicht verstehen. Das, wovon Dominga jetzt sprach, war für sie in dieser Nacht vor der entscheidenden Schlacht unwichtig.
Ja, die große Schlacht auf dem Feld von Peleagonzalo, nahm Dominga den Gedanken auf. Sie wird die Wende bringen.
»Kannst du sehen, wie es ausgeht?«, wollte Jimena wissen, aber die Stimme in ihrem Kopf blieb ihr die Antwort schuldig.
Es wird ein großer Tag mit mehr Blut als Ehre, den Tausende nicht überleben werden.
Jimena schluckte. Die Frage, die sie tief in ihrem Innern beschäftigte, wagte sie nicht zu stellen.
»Warum bist du hier?«,wiederholte sie stattdessen.
Weil du etwas tun musst. Etwas Wichtiges.
»Was?«
Das sage ich dir, wenn es so weit ist. Nun ist es erst einmal entscheidend, dass du dich bereithältst. Noch ehe die Sonne morgen untergeht, musst du auf dem Schlachtfeld sein. Reite rechtzeitig, und sieh zu, dass dich niemand aufhält! Du musst allein kommen.
»Aber ich weiß ja nicht einmal genau, wo die Heere aufeinandertreffen!«
Vertraue mir. Ich werde dich führen. Öffne deinen Geist.
Das war das Letzte, was Jimena hörte. Die Gestalt am anderen Ufer war verschwunden, und die Stimme schwieg. Und auch der Mond verbarg sein silbernes Antlitz hinter dichten Wolken, die drohend von Westen herüberzogen, wo sich in wenigen Stunden zwei Heere gegenüberstehen würden, um Blut zu vergießen und Verderben zu säen und dem Tod eine reiche Ernte einzubringen.
Jimena kehrte in den Palast zurück. In ihrem verlassenen Gemach kleidete sie sich um. Durch die nur angelehnte Tür konnte sie Beatriz’ leises Schnarchen hören. Sonst war niemand da. Isabel und Teresa waren vermutlich noch bei den Klarissen, und die anderen Damen, die es überhaupt noch in Tordesillas aushielten, teilten sich eine Kammer am Ende des Ganges.
Jimena klappte den Deckel der schweren Truhe auf. Obwohl sie diese Kleidungsstücke schon lange nicht mehr getragen hatte, wusste sie, dass sie ganz unten das finden würde, was sie jetzt brauchte. Sie wählte ein paar lederne Beinkleider, ein grobes Hemd, eine warme Tunika und ein festes Leder wams. Ihre Füße schlüpften in ihre robusten Reisestiefel. Sie warf sich noch den dicken grauen Wollumhang mit der Kapuze über und hastete dann in die Ställe hinunter, wo sie zu dieser Zeit niemanden anzutreffen hoffte. Sie wählte das erfahrene Jagdpferd, das Isabel ihr geschenkt hatte, und mit einiger Mühe schaffte sie es, das Tier zu satteln und aufzuzäumen. Leise führte sie die Rappstute auf das Tor zu, als sich ein Schatten gegen den sich zögerlich erhellenden Nachthimmel abzeichnete. Für einen Moment hielt sie die kleine Gestalt für einen der Stallburschen, doch dann spürte sie, wer sich ihr in den Weg stellte.
Jimena holte tief Luft und sammelte sich, um ihre Argumente gut zu wählen, ohne zu viel zu verraten, doch da trat Teresa auf sie zu und legte ihre Hand auf die ihre, die den Zügel umfasste. Das Pferd schnaubte leise.
Jimena sah dem jungen Mädchen in die Augen. Sie schienen von innen her zu leuchten und sahen sie unbeirrt an, als wollten sie durch ihre Seele dringen.
Nein, Teresa war nicht gekommen, um sie
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