Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
der Hand und zog sie hinter sich her aus dem Gemach. Don Angelo folgte ihr und schloss die Tür.
»Unsinn, soso«, murmelte er und ging mit einem Kopfschütteln davon.
»Ja, Unsinn!«, bekräftigte Jimena, mehr um sich selbst davon zu überzeugen und die Stimme zu übertönen, die plötzlich in ihrem Geist erklang.
Ja, du bist eine Hexe, und deine Kräfte werden noch wachsen!
Fast ein wenig grob zerrte sie Teresa hinter sich her zur Bibliothek zurück. »Du wirst in Zukunft in meiner Nähe bleiben«, sagte sie barsch, doch Teresa lächelte.
Niemand wird wagen, noch einmal Hand an mich zu legen.
Jimena starrte ihre Cousine an. War das etwa deren Stimme in ihrem Geist? Das war doch nicht möglich!
Und da die Stimme nun stumm blieb, konnte sie sich einreden, sich das alles nur eingebildet zu haben. Allerdings schienen die Worte der Wahrheit zu entsprechen. Zumindest kam es Jimena in den folgenden Tagen so vor, als würden die Höflinge ihnen respektvoller begegnen oder gar einen Bogen um sie machen. Gut! Denn auf solche Aufmerksamkeiten konnte sie gut und gern verzichten!
Ende des Monats kehrte die Königin nach Segovia zurück. Jimena war neugierig, Juana von Portugal kennenzulernen, über deren Lebenswandel solch böse Gerüchte kursierten. Sie war sich nicht sicher, ob sie das Getuschel nicht als Verleumdung abtun sollte, und hoffte, eine Antwort zu finden, wenn sie der Königin erst einmal in die Augen sehen würde.
Strahlend schön und in bester Laune fand sie eine schlanke, modisch gekleidete Herrscherin vor. Ihre Wangen waren rosig, die Augen blitzten vor Übermut. Sie trug ein golden schimmerndes Brokatgewand mit weitem, glockenförmigem Rock, unter dessen ärmellosem Oberteil ihr Schnürmieder zu sehen war und die bauschigen Ärmel ihres Hemds hervorquollen. Ihr üppig dunkles Haar war kunstvoll geflochten und unter einem zarten Schleier aufgesteckt.
Hatte sie wirklich erst vor wenigen Tagen oder Wochen irgendwo heimlich das Kind ihres Geliebten zur Welt gebracht? Jimena konnte sich das nur schwer vorstellen. Dennoch war da auch dieser Trotz in ihrem Blick, wenn sie ihren Gemahl betrachtete, an dessen Seite man sie nur selten sah. Und dann dieses Strahlen, wenn Don Beltrán de la Cueva den Saal betrat. Sie war in ihn vernarrt, das konnte jeder sehen, und auch in seinem Blick lag Begehrlichkeit. Jimena schüttelte den Kopf. Was für eine Verwirrung.
Falls Jimena gehofft hatte, mit der Rückkehr der Königin würde in Segovia wieder die Tugendhaftigkeit Einzug halten, dann hatte sie sich mehr als getäuscht. Im Schatten der Königin kam ein ganzes Dutzend edler junger Damen mit an den Hof, deren Augen nur so vor Abenteuerlust blitzten, sodass das Treiben an den Abenden nur noch wilder wurde. Zu Jimenas Erstaunen schien nun auch der König an den Wechselspielen der Paare Gefallen zu finden. Er begann ganz offen Catalina de Santoval den Hof zu machen, eine der höchsten Damen der Gesellschaft, wie Jimena von Don Angelo erfuhr. Er war wieder einmal bester Laune und amüsierte sich prächtig mit der Komödie, die Abend für Abend im prächtigen Saal des Alcázar aufgeführt wurde. Doch der König hatte einen Mitbewerber um die Gunst der Dame: Alonso de Córdoba, und so wandelte sich die Komödie zur Tragödie. Jimena konnte Eifersucht spüren. Ein ganz neues Gefühl, das den König überwältigte und ihn zu einer unbedachten Tat verführte.
Es fiel Jimena bereits am Morgen auf, dass Alonso de Córdoba nirgends zu sehen war und Doña Catalina ein verquollenes Gesicht hinter einem dünnen Schleier verbarg. Dieses Mal war es Ramón, der ihr die ungeheuerliche Nachricht brachte. Der König hatte Alonso de Córdoba des Hochverrats anklagen und ihn verhaften lassen. Nur wenige Tage später rollte der Kopf des Adeligen, der es gewagt hatte, dieselbe Frau zu begehren wie der König.
Jimena war schockiert, und so manch einer bei Hof bewegte sich nun mit einer gewissen Vorsicht. Zumindest für eine Weile hütete man in Anwesenheit des Königs seine Zunge. Zu Jimenas Erstaunen spürte sie nun so etwas wie Respekt bei den Höflingen, die die gutmütige Großzügigkeit des Monarchen stets mit Spott und Verachtung quittiert hatten. Jimena dagegen fühlte eine tiefe Enttäuschung – so als habe der König sie selbst verraten und ein Versprechen, das er ihr gegeben hatte, gebrochen. Sie hatte ihn gemocht, ihn, den ungepflegten, hässlichen Monarchen mit den linkischen Bewegungen und dem schüchternen Lächeln, dessen
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