Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
skurrile Vorlieben den Höflingen nur ein Kopfschütteln entlockten. Sie mochte die melancholischen Weisen, die er seiner Laute entlockte, und sie hätte nichts dagegen gehabt, ihn auf seinen einsamen Wanderungen durch die Wälder zu begleiten.
Wie passte die eifersüchtige Reaktion zu dem König, den sie zu kennen glaubte? Wollte er sich auf diese Weise Respekt bei seinen Höflingen verschaffen, die die Infantin Juana inzwischen hinter vorgehaltener Hand als »Beltraneja« bezeichneten, um damit zu zeigen, dass sie von der Vaterschaft Don Beltráns, des Grafen von Ledesma, überzeugt waren? Und sie gaben dem König den wenig schmeichelhaften Beinamen »el impotente«.
Es wunderte Jimena kaum, dass die Leidenschaft des Königs für Doña Catalina nicht sehr lange anhielt. Sie kam zufällig vorbei, als der König eindringlich auf Erzbischof Carrillo einredete und vorschlug, Catalina zur Äbtissin des Klosters Dueñas zu ernennen. Es war klar, dass er sie zwar vom Hof entfernen, anderseits aber sicherstellen wollte, dass kein anderer Mann in ihre Nähe kam. Jimena spürte Zorn in sich aufsteigen, der dem des Erzbischofs in keiner Weise nachstand, jedoch eine andere Ursache hatte.
Am Abend wurde ihr auch klar, warum Enrique die Dame so rasch von seinem Hof verwiesen wissen wollte. Die Königin hatte eine neue Hofdame! Ein wunderschönes Wesen mit glutschwarzen Augen und wallend schwarzem Haar, das alle anderen Damen zu überstrahlen schien: Guiomar de Castro, die Tochter des portugiesischen Grafen von Monsanto. Der König begann ihr den Hof zu machen, und eingedenk des Schicksals von Don Alonso de Córdoba hielten sich die anderen Männer von ihr fern. Die Dame schien auch nicht abgeneigt, dem Drängen des Königs nachzugeben, doch da ging das Temperament der Königin mit ihr durch. Es war an einem kalten Abend Mitte November, als die Sache außer Kontrolle geriet. Zuerst schien es ein ganz normaler Abend in der Halle des Königs zu werden. Jimena saß mit den Freundinnen und Don Angelo auf dem Diwan nahe der Tür, während sich die Königin mit ihren Damen und natürlich mit ihrem Favoriten Don Beltrán umgab. Der kümmerte sich gerade um die kleine Juana, der eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm nicht abzusprechen war. Oder sah sie nur ihrer Mutter ähnlich? Jimena ge lang es nicht, die Frage zu beantworten. Sie bemerkte nur am Rande, dass der König Guiomar zu sich rief. Mit kessem Blick und schwingenden Röcken tänzelte sie auf ihn zu. Ihre ganze Körperhaltung war ein einziges Versprechen.
Plötzlich sprang die Königin auf und stieß einen Schrei aus. Ehe sich auch nur einer von seinem Erstaunen erholt hatte, stürzte sie mit gerafften Röcken auf Guiomar zu und schlug der Landsmännin ihren Fächer so hart in ihr makelloses Ge sicht, dass er zerbrach. Die junge Frau schrie vor Schreck und Schmerz. Blut rann ihr über die Wangen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und rannte kreischend hinaus. Mit offenen Mündern starrten die Damen und Herren ihr nach. Die Königin aber stampfte mit dem Fuß auf und warf ihrem Gemahl einen kriegerischen Blick zu. »Ich dulde sie nicht länger bei Hof!«, schrie sie und rauschte dann ebenfalls hinaus.
»Was für ein herrlicher Skandal«, kommentierte Don Angelo verzückt.
Jimena funkelte ihn an. »Ach, das Leid anderer gefällt Euch?«
Der Höfling zuckte mit den Schultern. »Meint Ihr etwa, ich müsste mit einem der Beteiligten Mitleid haben? Weshalb? Haben sie nicht allesamt das Drama heraufbeschworen?«
Der Gerechtigkeit halber musste sie ihm zustimmen. »Ja, das könnte man alles vermeiden, wenn jeder seinem ihm angetrauten Ehepartner treu wäre.«
»Was für eine überaus langweilige Vorstellung«, kommentierte der unverbesserliche Don Angelo. Dann aber wurde seine Miene ernst. »So unterhaltsam das alles war, ich fürchte, dies könnte zum Anlass genommen werden, die alten Portugalfeindseligkeiten wieder aufflammen zu lassen.«
»Was? Ihr meint, weil die Dame aus Portugal stammt oder die Königin? Das kann nicht Euer Ernst sein. Das hat doch nichts mit der Politik von Kastilien oder Portugal zu tun.«
Doch der Höfling sollte recht behalten. So leichtfertig er sich manches Mal gab und so beißend sein Spott auch sein mochte, er war ein kluger Kopf und mit dem Ränkespiel der Politik erfahren. Was er allerdings nicht hatte vorhersehen können, war, dass sich unerwartet noch eine weitere Partei zusammenfand, die die alten Lästereien über den König und die Rolle des
Weitere Kostenlose Bücher