Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
behaupten? Er ist auf dem Weg nach Segovia, um seine Hochzeit zu feiern!«
    Der Bote schüttelte erschöpft den Kopf. »Nein, ja, ich weiß. Ich gehörte zu dem Gefolge des Großmeisters. Wir waren vor zwei Tagen gerade dabei, uns ein Nachtquartier in einem Kloster am Wegesrand zu suchen, als Don Pedro der Tod ereilte. Es gab keine Vorzeichen. Er war nicht leidend. Und dennoch starb er ganz plötzlich unter Krämpfen und Schmerzen. Ich war dabei«, fügte der Bote leise hinzu und schauderte, als ihn die Erinnerung erfasste. »Er schrie und wand sich. Blut schoss ihm aus der Nase und den Ohren, dann brach er zusammen und starb.«
    Betroffenes Schweigen im Saal. Nur Beatriz lächelte zufrieden, bis Isabel ihr in die Rippen stieß. Da senkte sie den Blick, doch noch immer umspielte ein Lächeln ihren Mund.
    »Deine Tante hat recht behalten«, frohlockte Beatriz, als die Freundinnen in ihr Gemach zurückkehrten. »Aber woher konnte sie das wissen, noch ehe der Bote in Segovia eintraf?«
    »Sie ist eben wirklich eine weise Frau mit besonderen Kräften«, sagte Isabel, die noch immer schwer atmete, als habe sie eine schwere Last auf den Schultern getragen.
    Beatriz blieb stehen und senkte die Stimme. »Ja, mit besonderen Kräften«, wiederholte sie. »Meint ihr, sie hat es nur vorausgesehen? Oder könnte es sein, dass sie nachgeholfen hat?«
    »Sie war nicht dort. Das hätte der Bote sonst sicher berichtet«, widersprach Isabel ein wenig ungehalten.
    »Ich spreche hier auch nicht von einer kalten Klinge oder einem Tröpfchen Gift im Becher«, fuhr Beatriz unbeeindruckt fort. »Ich spreche von ihren ganz besonderen Kräften, die vielleicht so stark sind, dass sie einen Menschen aus der Ferne töten kann.«
    Ihr Blick wanderte zu Jimena, die ein wenig gezwungen auflachte. »So ein Unsinn!«, sagte sie nur, doch die Worte der Freundin entfachten einen Sturm in ihrem Geist. Unter einem Vorwand verabschiedete sie sich und verließ den Palast. Im Schutz der Dunkelheit wanderte sie an der Stadtmauer entlang. Sie war so in Aufruhr, dass sie die Röcke raffte, um weiter ausschreiten zu können.
    Hatte Beatriz etwa recht? Hatte ihre Tante ihre Kräfte benutzt, um in das Rad des Schicksals einzugreifen? Besaß sie überhaupt diese Macht, einen Mann aus der Ferne nur mit der Kraft ihrer Gedanken zu töten?
    Jimena konnte sich das nicht vorstellen, und doch … Was gab es sonst für eine Möglichkeit? War es ein Giftanschlag gewesen? Durch einen gedungenen Mörder, der sich in das Gefolge des Großmeisters eingeschlichen hatte? Auf wessen Befehl? Wer außer Isabel hatte ihm den Tod gewünscht? Nein, verbesserte sie sich. Isabel hatte lediglich darum gebetet, ihn nicht heiraten zu müssen. Sein Leben hatte sie ihm nicht nehmen wollen.
    Nein, solch finstere Gedanken hatte nur sie selbst gehegt. Jimena blieb unvermittelt stehen.
    Das war nicht möglich!
    Nein?
    Hatte sie ihn nicht genau so sterben sehen, wie der Bote es beschrieben hatte? Sie konnte ihn sich in Schmerzen winden sehen und das Blut, das ihm aus Nase und Ohren drang.
    Ja, gut, sie hatte es gesehen. Sie hatte schon viele Dinge gesehen, die dann so geschehen waren. Das hieß nicht, dass sie selbst die Schuld daran trug.
    Und doch breitete sich ein mulmiges Gefühl in ihr aus. Es war, als müsse sie sich vor sich selbst fürchten. Trug sie Kräfte in sich, von denen sie nichts wusste und die sie nicht beherrschte? War sie eine Gefahr für andere?
    »Unsinn!«, sagte sie laut, doch da stand ihr das Bild jenes Mannes vor Augen, der sich an Teresa vergriffen hatte. Wie ihr Zorn in Wellen über ihr zusammengeschlagen war und wie der Mann in Pein aufgeschrien und sich gewunden hatte. Blut war aus seiner Nase und seinen Ohren geflossen.
    Was hatten sie über Jimena gesagt? Sie sei eine Hexe? Sie sah auf ihre Hände herab, und es war ihr, als könne sie das Blut, das sie vergossen hatte, auf ihrer Haut spüren.
    »So ein Unsinn«, sagte sie noch einmal, doch es klang selbst in ihren Ohren nicht überzeugend. Kläglich traf den Ton schon eher.
    »Sprichst du neuerdings mit dir selbst?«
    Jimena fuhr herum und starrte Ramón entgeistert an. Dann stieg Empörung in ihr auf. »Du verfolgst und belauschst mich? Was fällt dir ein?«
    Ramón verbeugte sich und bat lächelnd um Verzeihung. »Ich habe dich zufällig hier draußen gesehen, ja, und da habe ich mich gefragt, was du hier so allein um diese Zeit machst? Oder störe ich dich bei einer Verabredung?« Er sah sich hastig um, doch es

Weitere Kostenlose Bücher