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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kronprinzessin!«
    Jimena wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir werden es nie mit Sicherheit sagen können. Die Königin ist keine Heilige!«
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Ich bin nicht blind, und ich sehe wohl, dass es viele bei Hof gibt, die ihr Lager nicht nur mit ihrem Angetrauten teilen, dennoch ist es nicht an uns, über den König und die Königin zu urteilen. Wenn König Enrique sagt, Juana sei seine Tochter, dann steht keinem das Recht zu, dies zu bezweifeln und ihr den Thron zu stehlen.«
    Sie schwiegen beide und sahen über das Tal hinaus, wo mit den Schatten verschmelzend der Río Eresma rauschte. Die Klöster und Einsiedeleien am gegenüberliegenden Talhang lagen bereits im Dunklen. Im Westen konnte man den Konvent der barfüßigen Karmeliterinnen erahnen, gegenüber lag das neue Kloster El Paral, das König Enrique hatte erbauen lassen. Auch hier ruhten die Mauern dunkel und schweigend unter ihnen. Sicher waren die Schwestern und Mönche bereits zu Bett gegangen, mussten sie doch bereits wenig nach Mitternacht wieder aufstehen, um das erste Lob des neuen Tages für Gott den Herrn zu singen. Wie so vieles hatte der König auch das neue Kloster unter den Schutz des Marquis von Villena gestellt, der nun sein Wappen an dem noch unvollendeten Portal anbringen ließ.
    Jimena wandte den Blick ab. Nein, sie wollte jetzt nicht an den Marquis denken und daran, wie er auf Don Pedros unerwarteten Tod reagieren würde. Zumindest vorerst war die Gefahr gebannt, das Haus Villena noch enger an das von Trastámara zu binden. Doch Jimena musste sich nicht ihrer Gabe bedienen, um zu wissen, dass Juan Pacheco de Villena dies nicht auf sich beruhen lassen würde. Er und Carrillo wollten mehr Macht! Und dazu war ihnen jedes Mittel recht.
    Bilder von Verrat und Streit huschten durch ihren Geist, von blutigen Kämpfen und von Tod. Nein, sie wollte das nicht sehen. Sie wollte vergessen! Doch das stand nicht in ihrer Macht.
    Jimena und Ramón standen nebeneinander und sahen in den Sternenhimmel, dessen Glanz sich vertiefte. Der heiße Wind, der die Bewohner des Hochlandes im Sommer plagte, war angenehm mild geworden und umschmeichelte die beiden jungen Menschen, die sich plötzlich so befangen fühlten. In Jimena stieg ein Verlangen auf, das sie nicht kannte. Sie hatte das Bedürfnis, sich an ihn zu lehnen, seine Haut zu fühlen. Die Nähe allein genügte ihr nicht mehr. Sie wollte sich an diese Brust schmiegen und seine Arme fest um sich spüren.
    Wie ungehörig! Sie kämpfte gegen den Wunsch an und ballte die Hände zu Fäusten.
    Hoffentlich kann Ramón meine verbotenen Gefühle nicht spüren. Er ist ein Mann und sicher nicht so sensibel, dass er diese Schwingungen empfängt. Ich müsste vor Scham im Boden versinken.
    Und dennoch verlangte ein anderer Teil nichts mehr, als dass er fühlen mochte, was in ihr vorging, und sie in seine schützenden Arme nahm. Sie fühlte sich so schwach und hilflos. Die vielen düsteren Ahnungen vergifteten ihren Geist und drückten ihr Gemüt nieder, sodass sie glaubte, die Last allein nicht mehr tragen zu können. Sie atmete so schwer, dass es wie ein Seufzer klang.
    »Was ist?«, fragte Ramón leise. »Siehst du die Sterne? Es sind mehr, als ein Mensch zählen kann. Sie sind tröstlich in der Nacht und leiten unseren Weg, wenn alles andere Licht verlischt. Sieh dort drüben, der Blasse dort unter dem hellen Bild des Bären, das ist der Nordstern. Er verharrt Nacht für Nacht an dieser Stelle und leitet den späten Wanderer, damit er nicht von seinem Weg abkommt. All die anderen Sterne schweifen in einem weiten Bogen über das Firmament. Ein ewiger Reigen, Nacht für Nacht, Jahr für Jahr.«
    Jimena fragte nicht, woher er das wusste. Dominga war Sterndeuterin, hatte ihren Kinder schon von klein an den nächtlichen Himmel gezeigt und sie die Bedeutung der Sterne gelehrt. Es war auch nicht wichtig, was er sagte. Es genügte ihr, seiner leisen Stimme zu lauschen, in der, wie sie glaubte, ein zärtlicher Ton schwang.
    Weil er bei den Worten an seine Mutter dachte? Oder weil sie an seiner Seite stand?
    Wieder verkrampften sich ihre Hände, und sie spürte, wie sich die Haut über ihren Knöcheln spannte.
    Eine warme Hand legte sich um ihre geballte Faust. Jimena zuckte zusammen.
    »Was ist mit dir? Du bist so angespannt, dass ich spüren kann, wie du innerlich zitterst. Was bereitet dir solches Unbehagen? Willst du nicht darüber sprechen?«
    Jimena

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