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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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unangenehmen Kälte umweht, und in seinem Blick stand etwas, das sie schaudern ließ. Jimena bemühte sich viele Nächte lang zu ergründen, was der Marquis im Schilde führte, doch in diesem Fall ließ ihre Gabe sie im Stich. Jimena wünschte, Dominga würde kommen, doch seit Don Pedros Tod hatte sie nichts mehr von ihr gehört. Sie konnte nur vermuten, dass sie sich weiterhin im düsteren Palast von Arévalo um Isabel von Portugal kümmerte und sich bemühte, ihren Geist zumindest ab und zu von der zunehmenden Finsternis, die ihn umschloss, zu befreien.
    Sie hatte gehofft, Dominga würde auftauchen und ver hindern, dass Erzbischof Carrillo und der Marquis von Villena Isabel als Geisel nahmen, denn wie auch immer der König oder der Erzbischof es beschönigend nannte, es war nichts anderes, und das war Isabel wohl bewusst.
    Jimena hoffte vergebens, und so führten die Freundin nen ihr Leben im Palast von Ávila weiter, wo es sich kaum von den Gewohnheiten in Segovia unterschied. Wenigstens war Don Angelo mitgekommen und unterhielt sie mit seiner scharfen Zunge. Er war ein aufmerksamer Beobachter und zog oft Schlüsse, die Jimena erstaunten, die sich aber oft als wahr herausstellten.
    Lediglich die Bibliothek ihres Vaters vermisste Isabel schmerzlich, doch als sie vor dem Erzbischof bei einem seiner kurzen Besuche davon sprach, ließ er sofort einige Kisten voller Bücher aus Segovia holen und engagierte zwei gelehrte Dominikanerpater aus dem Kloster der Stadt, die sie in den alten griechischen Klassikern unterrichteten und begannen, Alfonso und die jungen Damen Latein zu lehren. Während sich Isabel und Jimena in die Studien stürzten, suchten Beatriz und Alfonso stets nach einer Möglichkeit, sich dem Unterricht zu entziehen.
    Teresa war nach wie vor der stumme Schatten an Jimenas Seite. Aufmerksam verfolgte sie den Unterricht und las in den Büchern, die die Kirchenmänner ihnen gaben. Jimena war überzeugt, dass Teresa inzwischen genauso gut lesen konnte wie sie selbst und auch das Lateinische mit ihnen lernte, doch das Mädchen vermied es nach wie vor zu schreiben – zumindest wenn es darum ging, ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Nein, da schrieb sie lieber Psalmen oder alte Minnegesänge in ihrer feinen Schrift ab und verzierte die Blätter mit bunten Malereien, von denen Bruder Diego ganz entzückt war.
    So verstrich die Zeit, und es vergingen manches Mal Wochen und Monate, bis Isabel und ihre Freundinnen Nachricht darüber erhielten, was draußen im Land vor sich ging. Meist waren es beunruhigende Nachrichten. Jimena kam mehr als einmal der Verdacht, dass der Erzbischof versuchte, die Neuigkeiten möglichst von ihnen fernzuhalten. Das Land war zerrissen, und die Machtkämpfe gingen mehr oder weniger offen weiter. Am meisten zu leiden hatte, wie immer bei den Konflikten der Großen, das einfache Volk, dessen Männer leichtfertig geopfert wurden und dessen Hab und Gut konfisziert, gestohlen oder als Sondersteuer von ihrem jeweiligen Lehensherrn eingezogen wurde. Denn nicht ganz Kastilien und León standen unter der direkten Herrschaft des Königs. Jedes dritte Dorf und jeder dritte Acker unterstand einem anderen Herrn, der auf seinen Ländereien schalten und walten konnte, wie es ihm beliebte. Und dann gab es natürlich die riesigen Ländereien der Kirche, der mächtigen Klöster und der großen Ritterorden, deren Großmeisterposten so sehr begehrt waren. Allen voran der Santiago-Orden zu Ehren des heiligen Jakobus, zu dessen Grab in Santiago de Compostela jährlich Tausende Pilger zogen. All diese Ländereien unterstanden nicht der Krone, und die Adelsherren – ob weltlich oder kirchlich – warfen ihr Geld und ihre Macht mal in die eine, mal in die andere Waagschale, je nachdem, von welcher sie sich die größeren Vorteile versprachen. So wechselten die Bündnisse ihre Richtung wie die Wetterfahne auf dem Dach.
    Und Enrique? Er blieb weiter unentschlossen. Er belohnte stets all jene, die zu ihm kamen und ihm Treue schworen, und scheute sich, gegen die Verräter mit Waffengewalt vorzugehen. Es hätte eine unbeschwerte Zeit sein können, wenn sich Jimena nicht so sehr nach Ramón gesehnt hätte. Monate vergingen, bis sie ihn wiedersah, doch es ergab sich kaum eine Gelegenheit, ungestört miteinander zu sprechen, geschweige denn verstohlene Küsse zu tauschen. Dabei verlangte es sie so sehr danach, sich an ihn zu lehnen, seine Arme um sich zu spüren und seine heißen Küsse auf ihrer Haut und ihren

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