Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Euch, denn ich werde dafür sorgen, dass Ihr niemals den Thron von Kastilien besteigen werdet!«
»Ob ich einst über das Land herrsche oder nicht, liegt in Gottes Hand und ganz sicher nicht in der Euren«, entgegnete Isabel. »Ihr könnte jetzt gehen, Marquis!«
Er starrte sie noch einen Augenblick hasserfüllt an, dann wandte er sich ab und stürmte hinaus. Alle Anwesenden starrten ihm nach. Es dauerte eine ganze Weile, ehe zaghaft die ersten Gespräche wiederaufgenommen wurden.
Beatriz holte tief Luft und schüttelte sich, als sei sie eben aus einer Erstarrung erweckt worden. »Dem hast du es gegeben!«, frohlockte sie, dann aber wurde ihre Miene ernst. »Ich fürchte, nun hast du dir einen Feind fürs Leben geschaffen.«
Isabel winkte ab. »Hier geht es nicht um Freundschaft oder Feindschaft. Hier geht es nur um Macht und die ehrgeizigen Ziele des Marquis, die der Erzbischof irgendwie empfindlich gestört zu haben scheint. Ich bin gespannt, was vorgefallen ist.«
Das aber würde vermutlich immer ein Geheimnis zwischen Carrillo und seinem Neffen bleiben. Isabel sprach den Erzbischof zwar auf den Vorfall an, als sie wenig später neben ihm an seiner Tafel saß, doch Carrillo wiegelte ab. Natürlich konnte er die Auseinandersetzung, die jeder im Palast mitbekommen hatte, nicht abstreiten, doch wie es dazu gekommen war, wollte er nicht sagen.
»Er ist mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden«, sagte er lediglich. »Das muss Euch nicht beunruhigen, Alteza .«
»Nein?«, widersprach Isabel. »Er war ein mächtiger Verbündeter, der nun vermutlich Juanas Ansprüche unterstützen wird.«
»Er ist ein gefährlicher, machtgieriger Mensch, der seine Farben dort aushängt, wo er sich einen persönlichen Vorteil verspricht«, korrigierte Carrillo. »Auf die Treue solch eines Verbündeten ist kein Verlass, und vermutlich würde er ohnehin mehr Gefahr als Hilfe für Euch bedeuten.«
Spricht er von Villena oder von sich selbst?, fragte sich Jimena, die sich vorbeugte, damit ihr kein Wort entging, doch der Erzbischof spürte ihren Blick und sah unwillig zu ihr hinüber. Rasch widmete sich Jimena wieder den köstlichen Speisen, denn das musste man dem Erzbischof lassen: Er legte Wert auf eine vorzügliche Küche.
»Zerbrecht Euch nicht mehr den Kopf«, sagte er nur noch an Isabel gewandt. »Genießt das Mahl, und dann geht hinauf in Eure Gemächer und lasst Eure Reisetruhen packen.«
Isabel sah ihn überrascht an. »Wir werden reisen? Wohin denn? Und warum?«
»Ich bringe Euch und Euer Gefolge morgen nach Ocaña«, gab der Erzbischof Auskunft. Die letzte Frage ließ er allerdings unbeantwortet, und Jimena konnte nur vermuten, dass es irgendwie mit dem Streit zusammenhing. Wollte er Isabel in Sicherheit bringen? Aber warum gerade nach Ocaña, dieser Ansiedlung in der Provinz Toledo? Verfügte Ávila nicht über eine der besten Stadtmauern des Reiches?
Die Freundinnen rätselten den ganzen Abend darüber, fanden aber keine Erklärung, die sie hätte zufriedenstellen können.
Ihre Abreise verzögerte sich, da am Morgen eine Abordnung des Königs eintraf. Zu Jimenas Überraschung und Freude befand sich Ramón unter den Begleitern des königlichen Boten. Es kostete sie fast übermenschliche Kräfte, ihm nicht entgegenzulaufen und sich ihm in die Arme zu werfen. Jede Minute wurde zur quälenden Ewigkeit, bis sie sich endlich heimlich ohne die prüfenden Blicke der anderen treffen konnten. Jimena verbarg den hastig geschriebenen Zettel in ihrer Hand und bat Isabel, sich eine Weile entfernen zu dürfen. Die sah ihre Freundin mit diesem wissenden Blick an, nickte aber und fragte nicht weiter. Jimena war ihr dankbar. Sie ließ Teresa bei den anderen zurück, holte sich ein Schleiertuch, mit dem sie ihr Gesicht verbergen konnte, und verließ den Palast.
Die Wachen am Tor hielten sie nicht auf und fragten auch nicht. Am Hof des Erzbischofs war es um die Moral nicht viel besser bestellt als am Hof des Königs, und so war es nichts Ungewöhnliches, dass Frauen auch zu später Stunde ein- und ausgingen.
Jimena folgte der Gasse an der Stadtmauer entlang. Vor ihr ragte das breite, gedrungene Mauerwerk der Kathedrale auf, das die Leichtigkeit anderer Gotteshäuser vermissen ließ. Viel besser fügte es sich als Teil der Stadtfestung in den Mauerring ein, der mit seinem Wehrgang auch den Chor umfasste. Es wurde schon dunkel, als Jimena den Platz vor der Kathedrale betrat, den prächtige Adelspaläste umstanden. Die Nordseite
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