Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
und hätte Kastilien gegen Frankreich im Norden und Aragón im Osten gestärkt. Doch Isabel blieb hart. Vorerst zumindest. Sie hatte sich den Thronanspruch gesichert, alles andere wollte wohl überlegt sein.
Dass Isabel zufrieden war und Carrillo geradezu in Hochstimmung, konnte keinen wundern. Die Stimmung des Marquis von Villena dagegen schon.
»Habt ihr ihn gesehen?«, erkundigte sich Beatriz leise, als sich die Freundinnen am Abend mit ihren Handarbeiten auf einem Diwan niedergelassen hatten. »Er war so zornig, dass seine Augen rot sprühten, wie die eines Dämons, und aus seinen Ohren dunkler Rauch aufstieg.«
Wider Willen musste Isabel lachen, auch wenn sie sich bemühte, Beatriz strafend anzusehen. »Du übertreibst, liebe Freundin.«
»Nein, so kam es mir vor, und ich frage mich, was ihn dermaßen in Zorn versetzt haben könnte.« Beatriz lächelte zufrieden.
»Es scheint dir zu gefallen, Juan Pacheco in solcher Stimmung zu wissen«, meinte Isabel, ohne von ihrer Stickerei aufzusehen.
»Aber ja!«, gab Beatriz zu. »Er ist der widerlichste Kerl, der mir je untergekommen ist, und alles, was ihn ärgert, kann für mich nur Anlass zur Freude sein.«
»Das kommt darauf an, wessen Interessen er im Augenblick vertritt«, gab Jimena zu bedenken. »Setzt er sich für Isabel ein, oder ist er mit König Enrique oder mit Juana und den Portugiesen im Bunde? Sollte er noch auf unserer Seite stehen, dann könnte sein Zorn auch Ärger für Isabel bedeuten.«
Beatriz biss sich auf die Lippen. »Du hast recht. Daran habe ich nicht gedacht. Ich war einfältig und habe mich von meiner kindischen Abneigung leiten lassen.«
Isabel wehrte ab. »Ich versichere dir, meine Abneigung gegen den Marquis de Villena ist mindestens ebenso groß, und ich bin gespannt, was ihn zu einem schnaubenden Dämon werden lässt. Gespannt und ein wenig beunruhigt«, fügte sie leiser hinzu.
Sie verstummte, als sie die Stimme des Erzbischofs durch die geschlossene Tür hörten, die zu seinen Gemächern führte. Sie war nicht nur ungewöhnlich laut, auch diesen zornigen Tonfall kannten sie von Carrillo nicht.
»Der Dämon?«, flüsterte Beatriz und runzelte die Stirn.
Isabel nickte. »Ja, ich denke, er ist es, der unseren sonst so kalten Kirchenprimas in Rage versetzt.«
»Ist das jetzt gut oder schlecht?«, fragte Beatriz ebenso leise hinterher.
»Jedenfalls streiten sie sich nicht über eine Lappalie«, meinte Jimena, der es so vorkam, als würde die Luft im Palast immer heißer werden. Sie brannte. Kleine Flammen züngelten auf. Ein Feuer, das eine tiefe Verbundenheit verbrannte? Eine Verbundenheit aus Verwandtschaft, Freundschaft und ehemals gleichen Zielen?
Nun brüllte der Marquis. Die Antwort des Erzbischofs war nicht leiser und auch nicht weniger feindselig. Die Tür wurde aufgerissen, und der Marquis de Villena stürmte heraus. Mit riesigen Schritten durchquerte er den Saal, in dem unvermittelt jedes Gespräch verstummte. Die Geistlichen, aber auch die Höflinge des Erzbischofs und manche Dame sahen Juan Pacheco hinterher, der geradewegs auf den Diwan zustürmte, auf dem sich Isabel mit ihren drei Freundinnen niedergelassen hatte. Jimena kostete es Mühe, vor dieser Welle des Zorns nicht zurückzuweichen. Ja, so unpassend hatte Beatriz den Marquis gar nicht beschrieben. Er kam ihr tatsächlich wie ein Abgesandter der Hölle vor, der mitten in einem flammenden Inferno stand, das nur sie sehen konnte. Natürlich würdigte er die Hofdamen keines Blickes. Seine dunklen, tief liegenden Augen fixierten Isabel.
»Was wünscht Ihr, Marquis?«, erkundigte sie sich mit be wundernswerter Haltung. Nichts ließ erkennen, dass sein Auftritt sie vielleicht einschüchterte.
Der Marquis schnaubte. »Seid Euch bewusst, dass Ihr heute einen mächtigen Verbündeten verloren habt, Alteza «, sagte er, und das » Alteza«, das spanische Wort für »Hoheit«, klang wie ein Fluch. »Bedankt Euch bei Eurem Primas, dem starrsinnigen Narren.«
»Ich höre aus Euren Worten, dass Ihr Euch nun verabschieden wollt«, entgegnete Isabel mit vor Kälte klirrender Stimme. Diese herablassende Haltung hatte sie eingeübt, vermutete Jimena, die sie dafür nur bewundern konnte. Dass es die Wut des Marquis nicht besänftigte, wunderte keinen, und das war auch nicht beabsichtigt. In seinem Gesicht pulsierten rote Flecken, als er sich zu ihr herabbeugte.
»Fürchtet Euch, Isabel«, zischte er so leise, dass es die anderen Höflinge nicht hören konnten. »Fürchtet
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