Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
auch, verdammt.
Seine Augen wanderten zu seinem linken Bein, unter seiner Unterhose. Die dünne Narbe, die von seiner Wade über die Kniescheibe bis zum unteren Teil seines Schenkels reichte, war eine zackige, weiße Linie, umgeben von sonnengebräunter Haut. Es tat immer noch etwas weh, wenn man sie berührte, aber die komplizierte chirurgische Behandlung, die sich unter der Narbe verbarg, war erfolgreich gewesen. Er konnte fast wieder normal gehen, und an die Stelle des Schmerzes war nur ein etwas gefühlloses, steifes Gefühl getreten.
An der linken Schulter war das anders; dort ließ der Schmerz nie ganz nach, war nur manchmal etwas betäubt. Die Ärzte
sagten, der größte Teil der Bänder wäre abgerissen und verschiedene Sehnen zerdrückt worden; es würde länger dauern, bis sie heilten.
Er hob geistesabwesend die rechte Hand und spürte die leichte Verdickung seiner Haut, die vom Haaransatz über das rechte Ohr bis zur Schädelbasis hinunterführte. Sein Haar bedeckte jetzt den größten Teil der Narbe, und man konnte den Bruch an seiner Stirn nur auf kurze Distanz erkennen. Während der letzten Wochen hatten mehr Frauen darüber Bemerkungen gemacht, als er sich gern erinnern wollte. Die Ärzte hatten ihm gesagt, sein Kopf sei aufgeschlitzt gewesen, wie wenn man mit einer Rasierklinge durch eine weiche Melone schneidet; ein halber Zentimeter höher oder tiefer und er wäre tot gewesen. Wochenlang hatte er sich inständig gewünscht, es wäre so gekommen. Er wußte, daß dieser Wunsch vorübergehen würde. Er wollte nicht sterben, er war nur nicht sicher, ob er ohne Cathy leben wollte.
Die Zeit würde die Verletzungen heilen, die inneren und die äußeren, daran zweifelte er nie. Er wünschte sich nur, daß das alles schneller ging, daß seine rastlose Energie wieder zurückkehrte, und daß die frühen Stunden des Tages dann wieder mit Arbeit angefüllt waren, nicht mit pochenden Schläfen und vager Besorgnis darüber, wie er sich in der vergangenen Nacht wohl benommen haben mochte.
Aber selbst wenn er nüchtern blieb, würde die Sorge bleiben. Er war seinem Element entrissen; die exotischen Stämme, die Beverly Hills und Malibu bewohnten, machten ihn konfus. Sein Agent hatte es in seiner Weisheit für richtig gehalten, daß er nach Los Angeles ging — Hollywood, warum sprach er es nicht aus, dachte es nicht? Hollywood — um am Drehbuch von Gegenschlag! mitzuwirken! Die Tatsache, daß er vom Drehbuchschreiben keine Ahnung hatte, hatte offenbar nichts zu besagen. Der furchterregende Joshua Harris, der einzige Agent, den er je gekannt hatte, hatte ihm erklärt, dies sei ein geringfügiger Mangel, der aber durch eine beachtliche Summe Geldes ausgeglichen werden würde.
Peter hatte die Logik, die hinter dieser Behauptung stand, nicht durchschaut. Aber schließlich war es seinem Mitautor ebenso ergangen. Die beiden Männer waren sich inzwischen dreimal begegnet — auf insgesamt vielleicht fünfundvierzig Minuten — wovon wiederum vielleicht zehn dem Drehbuch gewidmet waren. Und natürlich war noch nichts niedergeschrieben worden. Nicht in seiner Gegenwart jedenfalls.
Und doch war er hier in Malibu, bewohnte ein Strandhaus im Wert von 100 000 Dollar, fuhr einen Jaguar und belastete sämtliche Rechnungen aus den Lokalen zwischen Newport Beach und Santa Barbara dem Studio.
Man brauchte sich gar nicht zu betrinken, um in einer solchen Situation Schuldgefühle zu empfinden. Jedenfalls nicht Mr. Kastlers kleiner Junge, dem man schon in den frühen Jahren seines jungen Lebens gesagt hatte, daß man sich alles, was man bekommt, verdienen muß, ebenso wie man das ist, was man lebt.
Andererseits hatte dieses Leben in Joshua Harris’ Gedanken ganz vorn gestanden, als er den Vertrag ausgehandelt hatte. Peter hatte in dem Haus in Pennsylvania nicht gelebt, im äußersten Fall konnte man das existieren nennen.
In den drei Monaten nach seiner Entlassung aus dem Hospital hatte er kaum eine Zeile an dem Nürnberg-Buch geschrieben.
Nichts. Wann würde er wieder anfangen? Irgend etwas anfangen?
Sein Kopf schmerzte jetzt. Der Schmerz war so intensiv, daß ihm die Tränen in die Augen traten und sein Magen zu revoltieren begann. Peter stand auf und ging mit unsicheren Schritten zum Strand. Vielleicht half es, wenn er ein paar Züge schwamm.
Er tauchte unter und sprang dann wieder auf und blickte zum Haus. Was, zum Teufel, hatte er überhaupt am Strand verloren? Er hatte letzte Nacht doch ein Mädchen mit nach Hause
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