Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
etwas wie Dankbarkeit. »Ja?«
»Ich sollte Sie jetzt eine Weile allein lassen, aber das kann ich nicht. Man ist hinter mir her. Ich glaube, man weiß, was ich erfahren habe. MacAndrews Tochter hält sich verborgen; zwei Leute sind bei ihr, aber das ist keine Garantie für ihre Sicherheit. Ich kann mich nicht an die Polizei wenden, ich kann mir keinen Schutz beschaffen. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Der Diplomat fand die kärglichen Reste seiner Kraft. »Die sollen Sie natürlich haben«, begann er. »Und Sie haben ganz recht, für Selbstvorwürfe ist jetzt keine Zeit. Darüber kann man später nachdenken. Nicht jetzt.«
»Was können wir tun?«
»Den Krebs wegschneiden, im vollen Wissen, daß der Patient dabei sterben kann. Und in diesem Fall ist der Patient bereits tot. Es gibt kein Inver Brass mehr.«
»Darf ich Sie zu meinen Freunden bringen? Zu MacAndrews Tochter?«
»Ja, natürlich.« St. Claire stieß sich von dem Geländer ab. »Nein, das wäre Zeitvergeudung. Das Telefon ist schneller. Trotz allem, was Sie denken, gibt es Leute in Washington, denen man vertrauen kann. Die große Mehrheit sogar. Sie werden Ihren Schutz bekommen.« St. Claire deutete auf den Hauseingang; er griff in die Tasche, um den Schlüssel herauszuholen.
Sie mußten schnell eintreten. Der Diplomat erklärte es ihm: Das Alarmsystem wurde auf zehn Sekunden durch den Schlüssel ausgeschaltet und wieder aktiviert, sobald sich die Türe schloß.
Drinnen trat St. Claire durch den Bogen in die weite Halle und schaltete das Licht ein. Er trat an ein Telefon, nahm den Hörer auf, hielt inne und legte ihn wieder auf die Gabel. Er wandte sich zu Kastler um. »Der beste Schutz«, sagte er, »liegt darin, die Angreifer aufzuhalten. Wells oder Montelán, einer von beiden oder beide.«
»Ich würde auf Wells tippen.«
»Warum? Was hat er zu Ihnen gesagt?«
»Daß das Land ihn brauche.«
»Er hat recht. Seine Arroganz beeinträchtigt seine Intelligenz in keiner Weise.«
»Die Archive haben ihm panische Angst eingeflößt. Er sagte, er sei in ihnen enthalten.«
»Das war er, das ist er.«
»Ich verstehe nicht.«
»Wells ist sein Mittelname, der seiner Mutter. Das geht klar aus den Archiven hervor. Er hat ihn nach der Scheidung seiner Eltern angenommen. Er war damals noch ein kleines Kind. Bei seiner Geburt war sein Name Reisler. Er steht in den verschwundenen Archiven M bis Z. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Ja.« Peter erinnerte sich. Der Name erinnerte ihn an eine bösartige, aufgeblasene Person vor fünfunddreißig Jahren. »Frederick Reisler. Einer der Führer des Deutsch-Amerikanischen Bundes. Ich habe ihn als Grundlage einer Person in Reichstag ! benutzt. Er war Aktienmakler.«
»Ein Genie der Wall Street. Er hat Millionen für Hitler beschafft. Wells ist sein ganzes Leben vor diesem Makel geflohen. Und was wichtiger ist, er hat seinem Land selbstlos gedient, um zu sühnen. Er hat schreckliche Angst, daß die Archive ein Vermächtnis an die Öffentlichkeit bringen könnten, das ihn gequält hat.«
»Dann glaube ich, daß er es ist. Das mit dem Vermächtnis paßt.«
»Vielleicht, aber ich habe meine Zweifel. Wenn er nicht viel schlauer ist, als ich mir vorstellen kann, warum sollte er dann Angst haben, wenn er doch die Archive besitzt. Was hat der Hidalgo gesagt?«
»Wer?«
»Montelän. Paris. Viel attraktiver als Banner und doch unendlich arroganter. Generationen kastilianischen Reichtums, ungeheurer Familieneinfluß, von Falangisten bestohlen und beraubt. Carlos trägt in sich einen mächtigen Haß herum. Er verachtet jegliche Art absoluter Kontrolle. Manchmal glaube ich, daß er die Welt nach abgesetzten Aristokraten absucht ...«
»Was haben Sie gerade gesagt?« unterbrach Kastler. »Was verachtet er?«
»Absolutisten. Die faschistische Mentalität in jeder Ausprägung.«
»Nein. Sie sagten, Kontrolle . Jede Art von Kontrolle!«
»Ja, das habe ich gesagt.«
Ramirez , dachte Peter. Der Mann, der Chasŏng kontrolliert
hatte. War es das? War das die Verbindung? Ramirez. Montelán. Zwei Aristokraten desselben Blutes. Beide von Haß erfüllt. Die dieselben Minderheiten benutzen wollten, die sie so verachteten?
»Ich habe jetzt keine Zeit, es zu erklären«, sagte Peter, der sich plötzlich ganz sicher war. »Aber es ist Montelán! Können Sie ihn erreichen?«
»Natürlich. Jedes Mitglied von Inver Brass kann binnen Minuten erreicht werden. Es gibt Codes, die er nicht ignorieren kann.«
»Montelán würde das aber vielleicht
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