Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
einfach zwei Leute, die sich leise unterhielten, ihre Umgebung nicht wahrnahmen, und wie es schien, nicht einmal sich selbst.
Tony Morgan war die physische Verkörperung des Absolventen einer der guten Universitäten der Ostküste, der in New York zum Verleger geworden war. Er war schlank und hochgewachsen, mit den etwas nach vorn geneigten Schultern zu vieler Jahre gespielten Interesses an den Meinungen geringerer Sterblicher; sein Gesicht war schmal, die Züge glatt und die braunen Augen immer etwas fern und doch nie leer. Einreihige anthrazitfarbene Anzüge oder Tweedjacken im englischen Stil über den unvermeidlichen guten Flanellhosen waren für ihn wie eine Uniform. Er und Brooks Brothers hatten den größten Teil seiner einundvierzig Jahre gemeinsam verbracht, und keiner sah Anlaß zum Wechsel.
Aber Kleidung und Aussehen reichten nicht aus, um das quecksilberhaft bewegliche Wesen Anthony Morgans zu verkörpern. Dazu mußte man auch noch seinen manchmal explosionsartig ausbrechenden Enthusiasmus kennen. Seinen ansteckend missionarischen Eifer um Manuskripte, an denen noch gearbeitet wurde, oder die Entdeckung eines aufregenden neuen Talents. Morgan war der Inbegriff des Verlegers und dazu ein Lektor von seltenem Einfühlungsvermögen.
Und wenn Morgan irgendwie der klösterlich asketischen Welt des akademischen New England entsprungen zu sein schien, so hatte man bei Joshua Harris den Eindruck, als wäre er irgendwie unberührt aus einem eleganten Königshof des frühen 18. Jahrhunderts in die Gegenwart getreten. Von stattlicher Statur und Haltung, wirkte Harris beherrschend eindrucksvoll. Er bewegte seinen mächtigen Körper elegant und tat jeden Schritt überlegt, so, als bewegte er sich in einer feierlichen Prozession. Auch er war Anfang der Vierzig, und ein schwarzer Kinnbart, der einem sonst angenehmen Gesicht etwas Dämonisches verlieh, verbarg seine Jahre.
Peter wußte, daß es Dutzende von Herausgebern und Agenten in New York gab, die ähnliche, vielleicht auch größere Bedeutung hatten, und ihm war auch klar, daß weder Morgan noch Harris allgemein geliebt wurden. Er hatte oft die Stimmen der Kritiker gehört: Tonys Arroganz und seine häufig verfehlte Begeisterung und Joshs Freude an unangenehmen Konfrontationen, die häufig auf dem unbegründeten Vorwurf irgendwelcher Beleidigungen beruhten. Aber Kastler focht das nicht an. Für ihn waren diese Männer die besten.
Peter zeichnete seine Barrechnung ab und ging ins Foyer. Josh trat durch die Eingangstür, die Tony ihm aufhielt und der, als wäre das ganz natürlich, einem jungen Paar, das dazwischengetreten war, den Vortritt ließ. Ihre Begrüßung war zu laut, zu beiläufig. Peter sah die Sorge in den Augen der beiden Männer, jeder betrachtete ihn, als studierte er einen etwas verwirrten Bruder.
Ihr Tisch war der, den sie stets benutzten. In einer Ecke, etwas abseits von den anderen. Auch ihre Drinks waren die üblichen, und Kastler war gleichzeitig amüsiert und etwas verstimmt, als er sah, wie scharf Josh und Tony ihn beobachteten, als der Whisky kam.
»Ihr könnt den Alarm abblasen. Ich verspreche euch, nicht auf dem Tisch zu tanzen.«
»Aber wirklich, Peter ...«, begann Morgan.
»Jetzt komm schon ...« setzte Harris hinzu.
Er war ihnen wichtig. Das war das, worauf es ankam. Und dann ging der Augenblick vorüber, und das Unausgesprochene wurde akzeptiert. Es gab Geschäfte zu besprechen: Kastler begann.
»Ich habe einen Mann kennengelernt; fragt mich nicht, wen, ich würde es euch nicht sagen. Wir wollen sagen, ich bin ihm am Strand begegnet, und er hat mir in groben Zügen eine Story
erzählt, die ich keinen Augenblick lang glaube, aber die vielleicht die Basis für ein Buch sein könnte.«
»Ehe du weitererzählst«, unterbrach ihn Harris, »hast du irgendeine Vereinbarung mit ihm getroffen?«
»Er will nichts haben. Ich habe ihm nur mein Wort gegeben, daß ich ihn nie identifizieren würde.« Peter hielt inne, sah Joshua Harris an. Der Literaturagent hatte die Nachforschungen angestellt; er hatte in Washington angerufen. »Du bist übrigens der einzige, der das könnte. Namentlich. Aber das darfst du nicht. Das hast du mir versprochen.«
»Weiter«, sagte Joshua Harris.
»Vor einigen Jahren begannen einige Männer in Washington, über etwas unruhig zu werden, was sie für eine sehr gefährliche Situation hielten. Mehr als gefährlich, vielleicht katastrophal. J. Edgar Hoover hatte ein paar tausend Dossiers über die
Weitere Kostenlose Bücher