Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
MacAndrew. «
»Wer ist das?«
»Bis vor ganz kurzer Zeit ein sehr wichtiger Mann im Pentagon. Alles hatte sich richtig für ihn gefügt — wahrscheinlich hätte er bloß mit dem Kopf zu nicken brauchen, um Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs zu werden. Und dann hat er plötzlich, ohne sichtlichen Grund, alles weggeworfen. Uniform, Laufbahn, Stabschefs, alles.«
»In gewisser Weise Ihnen nicht unähnlich«, meinte Kastler. »Vielleicht in etwas größerem Maßstab.«
»Mir sehr unähnlich«, erwiderte Longworth. »Ich besitze Informationen über MacAndrew. Wir wollen sagen, daß diese Informationen auf jene Dienstleistungen zurückreichen. Etwas ist ihm vor einundzwanzig, zweiundzwanzig Jahren widerfahren. Offensichtlich weiß niemand genau, was — oder wenn es jemand weiß, dann gibt es keiner zu — aber es war jedenfalls ernsthaft genug, daß man es aus seinen Dienstakten entfernte. Acht Monate in den Jahren 1950/51, das ist alles, woran ich mich erinnere. Aber man könnte das mit jenem einem wichtigem Faktum — jenem grundlegenden
Faktum, das Sie suchen, Kastler — in Verbindung bringen, und das macht mir Angst.«
»Und was ist das?«
»Hoovers private Archive. MacAndrew könnte damit in Verbindung stehen. Über dreitausend Dossiers, ein Querschnitt durch das ganze Land. Regierung, Wirtschaft, Universitäten, Militär; von den Mächtigsten bis zu den anderen weiter unten. Sie werden vielleicht Gegenteiliges hören, aber ich sage die Wahrheit. Jene Archive sind verschwunden, Kastler. Man hat sie seit Hoovers Tod nicht auffinden können. Jemand hat sie, und jetzt setzt dieser Jemand sie ein.«
Peter starrte Longworth an. »Hoovers Archive? Das ist doch Wahnsinn.«
»Denken Sie darüber nach. Das ist meine Theorie. Derjenige, der diese Akten besitzt, hat Hoover getötet, um sie in seinen Besitz zu bringen. Sie haben sich nach mir erkundigt; ich habe Ihnen zwei Namen genannt, bei denen Sie sich erkundigen können. Mir ist gleichgültig, was Sie zu MacAndrew sagen, aber Sie haben mir Ihr Wort gegeben, mich dem Richter gegenüber nicht zu erwähnen. Und ich will nichts von Ihnen. Ich möchte nur, daß Sie darüber nachdenken, sonst nichts. Denken Sie über die Möglichkeiten nach.«
Ohne in irgendeiner Weise anzudeuten, daß er damit alles gesagt hatte, ohne ein Kopfnicken und ohne die geringste Handbewegung drehte Longworth sich um und ging ebenso, wie er das am Tag zuvor getan hatte, über den Strand davon. Peter stand benommen im leichten Regen und sah zu, wie der ehemalige FBI-Mann auf die Straße zuzulaufen begann.
8
Kastler stand an der Bar des Restaurants an der Sechsundfünfzigsten Straße East. Es gab sich redliche Mühe, wie ein englisches Landgasthaus aus dem letzten Jahrhundert zu wirken, und Peter fühlte sich in ihm wohl. Die Atmosphäre dort eignete sich für ein in die Länge gezogenes Mittagessen mit langen, tiefschürfenden Gesprächen.
Er hatte Tony Morgan und Joshua Harris angerufen und sie gebeten, sich dort mit ihm zu treffen. Dann hatte er die Nachmittagsmaschine von Los Angeles genommen. Zum erstenmal seit vielen Monaten hatte er in seiner eigenen Wohnung geschlafen — wie normal er sich doch dabei vorkam. Er hätte viel früher
zurückkommen müssen. Seine falsche Zuflucht in Kalifornien war wie ein Gefängnis für ihn geworden.
Und jetzt geschah es. Irgend etwas in seinem Kopf war aufgebrochen, eine Barrikade war niedergerissen worden und hatte aufgestaute Energie freigesetzt. Er hatte keine Ahnung, ob irgend etwas von dem, was Longworth ihm gesagt hatte, einen Sinn ergab. Nein, es war einfach zu lächerlich. Allein die Vorstellung einer Ermordung Hoovers widersprach jeder Vernunft. Und doch war es eine faszinierende Prämisse. Und jede Story begann mit einer Prämisse. Die Möglichkeiten waren die größte Herausforderung, die sich ihm je gestellt hatte. Würde ein außergewöhnlicher Mann Namens Sutherland einräumen, daß es auch nur eine entfernte Chance gab, daß jemand Hoover ermordet hatte? Und war es dann möglich, ein lang verschwundenes Stück Papier in der Militärakte eines Generals Namens MacAndrew damit in Verbindung zu bringen?
Irgendeine Spiegelung im Fenster zog seinen Blick nach draußen. Dann lächelte er, als er die Gestalten von Anthony Morgan und Joshua Harris nebeneinander auf den Eingang zukommen sah. Die beiden Männer argumentierten, aber nur jemand, der sie sehr gut kannte, hätte das begriffen. Für den beiläufigen Beobachter waren sie
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