Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
blickte von seinem Notizbuch auf. »Warten Sie hier. Ich rufe die Zentrale.«
Fünf Minuten später kam der Mann von dem Streifenwagen zurück. Er schüttelte den Kopf. »Jesus! Was die heutzutage auf die Straße lassen! Die haben sie erwischt, Mr. Kastler. Alles, was Sie sagen, paßt.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Die haben das blöde Stück außerhalb von Gaithersburg entdeckt! Sie hat das gleiche Spiel mit einem Lkw von der Post versucht. Was sagen Sie dazu? Mit einem Post-Lkw! Jetzt haben die sie eingelocht. Man hat ihren Mann angerufen.«
»Wer ist sie denn?«
»Die Frau von irgendeinem Lincoln-Mercury-Händler in Pikesville. Schon wegen Fahrens in betrunkenem Zustand bekannt; man hat ihr vor ein paar Monaten den Führerschein weggenommen. Trotzdem wird sie eine Geldstrafe und Bewährung kriegen. Ihr Mann hat Beziehungen.«
Peter spürte die Ironie des Ganzen. Zehn Meilen weiter hinten hielt ein zerbrochener Mann, ein Soldat ohne Zukunft, eine geistesgestörte Frau in den Armen. Zehn oder zwanzig Meilen weiter vorn raste ein Autohändler die Straße entlang, und der Ärger hatte schon angefangen.
»Ich sollte wohl die Autovermietung wegen des Wagens anrufen«, sagte Kastler.
»Keine Sorge«, erwiderte der Streifenbeamte und griff ins Innere des Chevrolet. »Ich nehme die Schlüssel. Sagen Sie denen einfach meinen Namen, und ich warte hier auf den Abschleppwagen. Sagen Sie Ihnen, sie sollen nach Donelly fragen. Officer Donelly in Rockville.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Kommen Sie, ich fahr’ sie nach Washington.«
»Können Sie das machen?«
»Die Zentrale hat das geklärt. Der Unfall hat sich innerhalb unserer Bezirksgrenzen ereignet.«
Peter sah den Streifenbeamten an. »Woher wußten Sie denn, daß ich in Washington wohne?«
Einen Augenblick lang wurden die Augen die Streifenbeamten ausdruckslos. »Sie sind ganz schön durcheinander. Sie selbst haben das vor ein paar Minuten erwähnt.«
Der silberne Continental hielt hinter der nächsten Straßenbiegung. Das Heulen der Sirene wurde in der Ferne leiser. Bald würde es ganz verstummen, und der Mann in Uniform würde seinen Auftrag erledigen. Ein Mann, den man dafür bezahlte, daß er die Rolle eines nicht existenten Polizeibeamten Namens Donelly spielte, mit der Aufgabe, Peter Kastler falsche Informationen zu liefern. Das war Teil des Plans — ebenso wie der silberne Continental, dessen Anblick den Schriftsteller erschrecken und Erinnerungen an die Nacht hervorrufen sollte, in der er beinahe getötet worden war.
Alles mußte schnell und gründlich orchestriert werden; jeder Faden der Wahrheit, der Halbwahrheit und der Lüge schnell in das Netz verwoben werden, so daß Kastler nicht imstande sein würde, eines vom anderen zu unterscheiden. Und das Ganze mußte binnen weniger Tage bewerkstelligt werden.
Der Schlüssel lag in Kastlers Bewußtsein, sein Leben spielte keine Rolle. Nur die Archive waren wichtig.
Der Fahrer des Wagens nahm den breitkrempigen Hut und die Sonnenbrille ab. Jetzt schraubten seine Hände schnell den Deckel einer Cremedose auf; er zog Kleenex-Tücher aus einer Schachtel, die auf dem Sitz stand, tauchte sie in die Creme und fuhr sich damit über den Mund, bis der Lippenstift verschwand. Halstuch und Jacke flogen auf den Boden des Wagens. Schließlich zog sich Varak die dunkelbraune, schulterlange Perücke herunter. Auch sie wanderte auf den Wagenboden. Er sah auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach sechs.
Bravo war inzwischen verständigt worden. Vielleicht hatte die Flüsterstimme inzwischen mit einer weiteren Person aus den Privatarchiven Hoovers Verbindung aufgenommen. Es gab da einen Kongreßabgeordneten Namens Walter Rawlins, er war Vorsitzender des mächtigen Zuteilungsausschusses des Kongresses. Sein Verhalten in der letzten Woche hatte seine Kollegen auf dem Capitol Hill erschreckt. Rawlins war ein ausgesprochener Rassist
und hatte seine hartnäckige Haltung in bezug auf einige Gesetzesvorlagen — ganz besonders eine — ohne jede Erklärung gewandelt. Er hatte an ein paar wichtigen Sitzungen nicht teilgenommen, Sitzungen, in denen abgestimmt worden war, und an denen er sich ursprünglich verpflichtet hatte, teilzunehmen.
Wenn jemand Rawlins unter Druck gesetzt hatte, würde man Peter Kastler einen anderen Namen zuspielen.
Als Peter auf die Lifttüren zuging, sah er sich im Spiegel der Hotelhalle. Er sah ziemlich schlimm aus. Sein Jackett war zerrissen, seine Schuhe schmutzig, das Gesicht
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