Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
mit Schmutz und verkrustetem Blut bedeckt. Er war nicht gerade das Abbild wohlgeordneter Bürgerlichkeit, an das das Hay-Adams gewöhnt war; er hatte den Eindruck, daß die Angestellten am Empfang alle darum beteten, daß er die Halle so schnell wie möglich verließ, was auch durchaus seinen Intentionen entsprach. Er wünschte sich jetzt nichts so sehr wie eine heiße Dusche und einen kalten Drink.
Während er auf den Lift wartete, sah er eine Frau näherkommen. Es war die Journalistin Phyllis Maxwell, deren Gesicht ihm aus zahlreichen im Fernsehen übertragenen Pressekonferenzen vertraut war.
»Mr. Kastler? Peter Kastler?«
»Ja. Miß Maxwell, nicht wahr?«
»Jetzt fühle ich mich geschmeichelt«, sagte sie.
»Ich auch«, antwortete er.
»Um Himmels willen, was ist Ihnen passiert? Hat man Sie überfallen?«
Peter lächelte. »Nein, nicht überfallen. Nur ein kleiner Unfall.«
»Sie sehen zum Erschrecken aus.«
»Darüber sind wir uns einig. Ich fahre jetzt auf mein Zimmer, um mich wieder ein wenig in Ordnung zu bringen.«
Der Lift kam; die Türen öffneten sich. Phyllis Maxwell fragte schnell: »Wären Sie nachher mit einem Interview einverstanden?«
»Du lieber Gott, warum denn?«
»Ich bin Journalistin.«
»Aber ich bin doch nicht interessant.«
»Natürlich sind Sie das. Sie sind Bestseller-Autor und wahrscheinlich in Washington, um Recherchen für ein weiteres Buch wie Gegenschlag! zu machen. Ich entdecke Sie dabei, wie Sie durch die Halle des Hay-Adams hinken und dabei aussehen, als wären Sie von einem Lastwagen überfahren worden. Wenn das nicht interessant ist!«
»Ich hinke schon seit einiger Zeit, und der Unfall war unbedeutend. « Peter lächelte. »Wenn ich an einem Buch arbeitete, würde ich nicht darüber sprechen.«
»Selbst wenn das der Fall wäre, und Sie nicht wollten, daß es an die Öffentlichkeit gelangt, würde ich es nicht drucken.«
Peter wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Er erinnerte sich, wie sein Vater sie eine der besten Korrespondentinnen in Washington genannt hatte. Und das bedeutete, daß sie Washington kannte, es studiert hatte; vielleicht würde sie ihm einiges sagen können, was er wissen wollte. »Okay«, sagte er. »Geben Sie mir eine Stunde Zeit, ja?«
»Gut. In der Bar?«
Kastler nickte. »Okay. Bis in einer Stunde also.« Er betrat die Liftkabine und kam sich ziemlich albern vor. Beinahe hätte er ihr vorgeschlagen, daß sie oben in seiner Suite warten solle. Phyllis Maxwell war eine höchst attraktive Frau.
Er duschte fast zwanzig Minuten lang, viel länger als gewöhnlich. Das war ein Teil seines Wiederherstellungsprozesses, wenn er erregt oder deprimiert war. Er hatte da in den letzten Monaten einige Tricks gelernt, Kleinigkeiten, die ihm halfen, sein eine Zeitlang verlorenes Gleichgewicht wieder herzustellen. Er legte sich nackt aufs Bett und starrte zur Decke, sein Atem ging tief.
Die Zeit verstrich; langsam kehrte Ruhe in ihm ein. Er zog einen braunen Freizeitanzug an und ging hinunter.
Sie saß an einem kleinen Tisch in der Ecke. Die Bar war so schwach beleuchtet, daß er sie kaum sehen konnte, aber die flackernden Kerzen lenkten seine Aufmerksamkeit auf die Züge ihres ebenmäßigen Gesichtes. Phyllis Maxwell mochte nicht die jüngste Frau im Raum sein, aber die bestaussehendste war sie ohne Zweifel.
Ihr Gespräch war entspannt und angenehm. Peter bestellte Drinks und dann eine zweite Runde. Sie unterhielten sich über ihr bisheriges Leben, ihre Zeit in Erie, Pennsylvania, beziehungsweise Chillicothe, Ohio, das sie dann nach New York oder Washington geführt hatte. Peter bestellte einen dritten Drink.
»Das sollte ich nicht«, sagte Phyllis fest, aber nicht fest genug. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt drei Drinks hintereinander genommen habe. Das stört meine Stenografie. Aber dann kann ich mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen höchst attraktiven... jungen Romanschriftsteller interviewt habe.« Ihre Stimme wurde tiefer, irgendwie nervös, dachte Kastler.
»Nicht so besonders attraktiv und, weiß Gott, nicht so jung.«
»Nun, ich bin das ja auch nicht. Die Tage meiner respektlosen Jugend haben sich abgespielt, als Sie noch Algebra lernten.«
»Das ist ausgesprochen herablassend und darüber hinaus unrichtig. Sehen Sie sich doch um, meine Beste. Es gibt hier niemanden, der Ihnen das Wasser reichen könnte.«
»Gott sei Dank ist es dunkel. Sonst müßte ich jetzt sagen, daß Sie ein charmanter Lügner
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