Das katholische Abenteuer - eine Provokation
sich nie für Religion interessiert, sagt er. Sport war seine Sache. Er war Co-Captain seiner Highschool-Basketballmannschaft, danach, 1956, meldete er sich bei den Marines. Er heiratete früh und arbeitete hart. Und er besuchte Veranstaltungen des Ku-Klux-Klan, weil er dachte, dass Schwarze, Kommunisten und Juden das Land umstürzen wollten. »Später war ich klüger«, sagt er. »Da habe ich gemerkt, dass es beim KKK genauso viel Kommunisten gab wie anderswo.« 1971 lässt er seine Frau und die vier Kinder sitzen, um mit Linda zu gehen, die bereits fünf Kinder aufzieht. Er trinkt, er nimmt Tabletten, er raucht Marihuana. Er verliert einen Job nach dem anderen und trinkt noch mehr. Er lebt vom Geld seiner Mutter. Er ist ganz unten. »Ich habe Benzin durch Brot getrunken.«
Eines Abends greift er zur Bibel – und legt sie nicht mehr aus der Hand. Am nächsten Morgen führt ihn die Stieftochter zur Kirche. Er fällt auf die Knie. »Ich war gerettet.« Nun beginnt er das Evangelium zu verkünden, die frohe Botschaft seiner Umkehr. Er wird zum Prediger in der Liberty Baptist Church. Er gründet »Our Father’s House«, ein Heim für Frauen. Der
Kampf gegen Abtreibung wird zur Besessenheit und mündet in eine merkwürdige, glühende Anbetung des Fötus. Er tritt mit Föten in Talkshows auf. Er lässt sich mit Föten fotografieren. Er »rettet« Föten aus Klinik-Containern und beerdigt sie. Zehn Meter lang ist der Fötus auf der Plakatwand, die er hinter der Abtreibungsklinik errichtet hat, ein riesiger Reklame-Altar der Abtreibungsgegner: der Bauch der Frau als öffentlicher Raum und der Fötus als Lamm Gottes.
Womöglich hat der Kritiker Harold Bloom recht, der in der Fötus-Faszination von militanten Abtreibungsgegnern wie Burt dunklere, vorchristliche, gnostische Glaubensvorstellungen erkennt, in denen die Schöpfung selber bereits eine Abspaltung von Gott ist und damit Sündenfall. Nur das Ungeschaffene, Ungeborene ist bei Gott und jedes Opfer wert. Um das heilige Ungeborene zu schützen, darf sogar getötet werden.
Nie kann das FBI Burt eine direkte Beteiligung an Bombenanschlägen und Morden nachweisen. Er verbüßt kleinere Haftstrafen wegen Belästigung, erhält Auflagen, Hausarrest. Doch wann immer eine der beiden Abtreibungskliniken in Pensacola angegriffen wurde, ist John Burt nicht weit. Terror und frommer Kitsch liegen oft dicht beieinander. Linke Bombenleger holen sich die moralische Aufrüstung bei Che-Guevara-Postern in Christuspose, rechte Fundamentalisten wie Burt haben die Jungfrau an der Wand, die die Schlange zertritt.
Burts »Our Father’s House« ist eine staatlich anerkannte Rehabilitierungseinrichtung. Sechs Mädchen und ihre Säuglinge halten sich derzeit bei ihm auf. In der Küche klappern Teller für das Mittagessen. Daneben der Schlafsaal mit den doppelstöckigen Pritschen. An der Wand im Büro hängen die Pastorenpatente der United Christian Church für Burt und seine Frau Linda. Daneben Hetzposter gegen Evolutionisten, Demokraten und anderes Gesindel. Auf dem Bücherbord ein mit einem Dynamitbündel verbundener Wecker, der anfängt zu heulen, wenn er hochgenommen wird. Burt hat diese Art von Humor. In der Garage züchtet er römische Kampfhunde.
Im Wohnzimmer sitzt die 17-jährige Joan über einer Stickarbeit, die einen glutäugigen Jesus zeigt. Im Schoß hat sie ihr drei Monate altes Baby. Sie wollte eigentlich abtreiben, hatte aber die 270 Dollar nicht. Burt hat sie überredet, ihr Kind auszutragen. »Er hat meine Seele gerettet.«
Neben ihr auf der Couch die blasse Serena, ihr Neugeborenes auf dem Arm. Ihre Eltern sitzen wegen Drogenhandels im Gefängnis. Serena war mit 13 vergewaltigt worden und trieb ab. Mit 14 hatte sie einen Freund. Und trieb wieder ab. Rauschgiftsüchtig und erneut schwanger, landet sie mit 16 im Knast. Von dort hat sie sich um Aufnahme bei Burt beworben.
Die Elendskinder lieben ihn wie den Vater, den sie nie hatten. John Burt, der Prediger des Hasses, tut tatsächlich Gutes. Er hat sie aus dem Knast geholt, hat ihnen zu einem drogenfreien Leben verholfen. Zu einem »heiligen«, wie Juanita es sagt: Sie hat ihm sexuelle Abstinenz geschworen bis zur Heirat.
Die Hausordnung ist streng. Tägliche Schriftlesung, regelmäßiger Kirchenbesuch. Verboten sind Tabak, Widerworte, Flüche, Jeans, Popmusik und – Liebesromane. Allerdings nicht alle – in Burts Bücherbord steht ein Schmöker mit dem Titel: Die Männer vom Ku Klux Klan. Eine historische
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