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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Jahre. Umkehr und göttliche Rettung auch hier. Konvertierte linke Aktivisten wie Peter Collier bereuen öffentlich, dass sie eine ganze Generation verführten. Watergate-Einbrecher Gordon Liddy, wiedergeborener Christ, spricht über Gottes Gnade und über Techniken im Wahlkampf. Frauen
lassen sich für den antifeministischen Kampf auf dem Campus präparieren. Feministische Ladenhüter-Sprüche wie »Ehe ist legale Prostitution« oder »Familie ist wie KZ mit Komfort« bringen noch einmal das Blut zum Wallen, und an den Bücherständen in der Ausstellungshalle gibt es Videos, die die »homosexuelle Konspiration« entlarven, Clinton-Witze und T-Shirts mit dem Konterfei von Oliver North. Der ultrakonservative Colonel, der den Kongress in der Iran-Contra-Affäre beschwindelte, hat gute Aussichten, mit Hilfe der Christian Coalition zum Senator in Virginia gewählt zu werden.
    Die Christian Coalition hat in diesen zwei Tagen die konservative Elite, ein All-Star-Team der rechten Intelligenz versammelt. Natürlich haben sie alle recht: Das Fernsehen ist eine Kloake, die Scheidungsraten sind erschreckend, die Familien verfallen, das Wohlfahrtssystem erzeugt Abhängige, das Knastsystem ist bankrott. Kern des konservativen Sirenengesangs: Die Sozialingenieure der 60er Jahre haben es gründlich vermasselt. Wenn immer nur die Gesellschaft schuld ist, ist keiner mehr schuld. Wie wär’s mal wieder mit dem Prinzip der persönlichen Verantwortung und den Zehn Geboten?
    Doch dann wacht man auf und denkt sich: Warum haben sie nicht schon längst dafür gesorgt? Schließlich war ihre Partei, waren die Republikaner, zwölf Jahre lang am Ruder. Und sind geringere Steuern und Schulgebete nicht doch zu wenig, um die Gesellschaft zu heilen?
    Völlig unbeeindruckt von solchen Inkonsistenzen feiern die 3000 Delegierten all die Kandidaten, die auf dem Podium vor ihnen ihren Kotau machen: Dan Quayle, Phil Gramm, Dick Cheney. Die dort oben wissen, dass ohne Unterstützung durch die CC nichts laufen wird, denn ihr gehört die Basis. Die unten wissen das erst recht.
    In unzähligen kleinen Räumen finden in diesen zwei Tagen Strategiesitzungen und Schulungskurse statt. Gesichter wie auf Norman-Rockwell-Bildern, anständig und rechtschaffen. Die Frauen tragen Dauerwellen und Kostüme und Schmuck und
sehen aus, als wollten sie eine Tupperware-Party organisieren. Doch diesmal wollen sie die Macht. Das gottesfürchtige Mittelstand-Amerika marschiert. Rentner und Hausfrauen und Studenten reden über Telefonlisten und Kriegsräume und versteckte Umfragen. Was aussieht wie eine Häkelrunde, erinnert in der Sache an Kadersitzungen studentischer revolutionärer Zellen der 60er Jahre.
    »Möglichst nicht erwähnen, dass ihr von der Coalition kommt«, sagte die Rednerin. »Fallt nicht gleich mit der Abtreibungssache ins Haus. Sprecht Probleme an, die im Wahlkreis akut sind.« So was nannten die Kommunisten Volksfrontpolitik.
    Die sich hier zusammengefunden haben, belassen es nicht bei konservativen Schwärmereien. Sie sind pragmatische Polit-Profis, die an alles denken. Cathe Halford etwa, noch vor vier Jahren siegreich fürs Gegenlager, für die Demokratin Ann Richardson. »Konzentriert euch auf die Waffenleute, auf solche, die ihre Waffe selbst dann nicht abgeben würden, wenn sie tot sind.« Waffenleute, so paradox es klingt, gelten als gute Christen. Hier ist die Waffe wie ein Fetisch gegen den modernen Staat, so wie die Bibel einer gegen die aufgeklärte, moderne, gottlose Intelligenz ist.
    Doch die Christian Coalition mobilisiert längst nicht nur reaktionäre Radaubrüder – es gibt auch andere, Besorgte, die einfach ins fundamentalistische Lager weggerutscht sind. Frauen wie Kelly Givin aus West Virginia, Mutter von zwei Töchtern, klug, warmherzig, energisch. Sie will was gegen die Kriminalität tun, gegen die Drogen, gegen die zu hohen Steuern. Der Familienrat hat beschlossen, dass sie in die Lokalpolitik geht. Nun ist sie bereit, Wochen am Telefon zuzubringen, Elternabende zu organisieren, Flugblätter zu verteilen, bereit zu geduldiger Zentimeterarbeit. George Ackron aus Crystal Lake vertraut ihr an, dass er mit nächtlichen Spaziergängen gute Erfahrungen gemacht hat. »Auf denen kann man Nachbarn ansprechen.« Seinen Wahlbezirk hat er bereits im Frühjahr gewonnen.

    Rund 57 Millionen Wahlbroschüren will die Christen-Koalition in den nächsten Wochen über das christliche Netzwerk, über Kirchen und Schulen verteilen – eine der

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