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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Romanze.
    Kontakte nach draußen werden kontrolliert, Telefongespräche überwacht. Die Mütter sind für ihre Babys verantwortlich, für regelmäßiges Füttern und Waschen – keine Selbstverständlichkeit in der Trailer-Park-Welt draußen, von der die meisten stammen. Essen, Arbeiten, Schlafen, alles nach Stundenplan. Ein barsches Regime, doch merkwürdig: Die Teenager, die hier zusammen sind, machen den Eindruck, als fühlten sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben in Sicherheit.
    Zum Dank dafür fahren sie mit John Burt in seinem weißen Dodge Ram in die Stadt, wenn er die Abtreibungsklinik terrorisiert. Sie stehen mit ihm auf dem Podest und rufen übers Gitter, verteilen Flugblätter, haben »Abwechslung« und, so Juanita, »das schöne Gefühl, zum ersten Mal im Leben was Gutes zu tun«.

    In diesen Tagen allerdings lässt Burt sie zu Hause. Das Ladies Center ist ohnehin stillgelegt. Im Übrigen lebt sein Heim von Spenden, und die letzten Morde waren nicht populär. Selbst finsterste Abtreibungsgegner gehen nun auf Distanz. Die Christian Coalition, sonst bei allen möglichen Aktivitäten ein verlässlicher Bündnispartner, hat die Schüsse als absurd verurteilt: »Wir töten nicht, wir sind für das Leben.«
    Burt versteht die Welt nicht mehr. »Sie wollen sogar Trosch aus der Kirche rausschmeißen.« David Trosch, ein übergeschnappter Jesuitenpater aus Alabama, hatte die Morde theologisch als Notwehr entschuldigt – und war von der Kirchenleitung mit Exkommunikation bedroht worden.
    »Wahrscheinlich ist es vernünftig«, sagt Burt seufzend, »eine Weile unauffällig zu bleiben.«

    Sie sind adrett, sie sind zahlreich, sie sind rechts. Sie sind der Alptraum für Jim aus New York, der sein sauberstes Hemd angezogen und sich unter die Delegierten ins Washington Hilton geschmuggelt hat. Er berichtet für eine linke New Yorker Zeitung über den Kongress der rechten Christian Coalition.
    Nur wenige Wochen vor den Novemberwahlen 1994 lassen Amerikas Fundamentalisten ihre Muskeln in der Hauptstadt spielen. Titel des Kongresses: »Die Straße zum Erfolg«. Operationsschef der Organisation ist Ralph Reed, ein Engelsgesicht mit Seitenscheitel, Typ Timmy aus der Serie »Lassie«. Die Hand über dem Herz spricht er den Schwur auf Fahne und Verfassung. 3000 Delegierte sprechen mit: »Ein Gott, eine Nation.« Dann applaudieren sie – sich, Gott und der Nation. Donnernd.
    Jim, der Journalist, steht mit den anderen stramm. Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn. Nervös lächelt er nach links, nach rechts, in verzückte und gerötete und strenge Gesichter, Männer in Strickjacken mit dem Muster des Sternenbanners, Frauen mit strahlenden Silberperücken, Mädchen in schwingenden
Röcken, Seifengeruch, Kreuz am Kettchen. Jim ist überzeugt, dass er die Geburtsstunde des amerikanischen Faschismus miterlebt.
    Was er tatsächlich erlebt, ist der Start zu einer Polit-Ökumene. »Ihr steht nicht allein«, ruft der jüdische Gastredner Rabbi David Lepin den Delegierten zu. »Euer Gott ist auch unser Gott, und eure Werte sind unsere Werte.« Kurz darauf steht die schwarze Katholikin Star Parker am Mikrofon. »Auch die afroamerikanischen Familien sind im Kern konservativ. Wir sind Bündnispartner.«
    Die Christian Coalition (CC) wurde von dem TV-Prediger Pat Robertson ins Leben gerufen – gebildet aus Anhängern seiner erfolglosen Präsidentschaftskandidatur von 1988. Eine religiöse Fundigruppe am rechten Rand der republikanischen Partei, die, etwa mit ihren bibelgrimmigen Sprüchen gegen Abtreibung, die Mitte verschreckte und wegen ihrer Radikalität George Bushs Präsidentschafts-Kampagne von 1992 den Todeskuss versetzte.
    Da rigide Abtreibungsverbote in den USA nicht mehr mehrheitsfähig sind, wirbt die CC nun mit moderateren Parolen wie »weniger Staat, weniger Steuern«. Mit Erfolg. Achttausend Aktivisten pro Woche tragen sich in ihre Listen ein. Mittlerweile hat die CC 1,4 Millionen Mitglieder. Sie kontrolliert die Republikanische Partei bereits in 13 Staaten, in 14 weiteren ist sie dominant.
    Die Koalition ist zur Sammelbewegung für Konservative aus allen Schichten und Altersgruppen geworden. Familienväter, die den Autoritätsverfall beklagen. Waffenfans, die gegen die Kontrollgesetze sind. Junge Frauen, die vom feministischen Männerhass angewidert sind. Jungkonservative, für die Tugenden wie voreheliche Enthaltsamkeit ein Ideal sind.
    Die Christian Coalition – das ist Kulturkampf von rechts, die Revision der 60er

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