Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
antibürgerliche Lebensform.
    Und was meine Vorbehalte gegen die Ordinierung von Frauen zum Priesteramt angeht, gibt es für mich keinen anderen Grund als wiederum den einer ehrwürdigen Tradition, in deren Urgrund das Bild von Jesus und seinen Jüngern liegt. Es waren Fischer, die ihre Netze liegen ließen und sich diesem wandernden Endzeitprediger anschlossen, der nach den Rekrutierungspassagen der Evangelien keinen Zweifel daran ließ, dass er bindungslose einzelne Männer bevorzugte und sich in einer durchaus antifamiliären Rhetorik gefiel.
    Dass der Vatikan des Weiteren keine basisdemokratische Veranstaltung ist, sondern eine grandiose, feudale Zuspitzung auf den obersten Kirchenfürsten, kann doch im Ernst keinen verstören, der noch ein Sensorium für Geschichte und Glaubensfragen hat. Ist die rhetorische Brillanz und menschenkluge Tiefe einer Enzyklika wie Deus caritas est (Gott ist die Liebe) etwa der Kompromissformel einer Stuttgart-21-Schlichtung unterlegen oder die Schönheit der Petersbasilika dem Sitzungssaal eines Rathauses?
    Wer einmal mit Zigtausenden anderen aus der Umarmung der Bernini-Kolonaden rund um den Obelisken hinaufgeschaut hat zur Balustrade des päpstlichen Palastes und den Mann in Weiß den »Urbi et Orbi«-Segen spenden sah und den Ostergruß in Dutzenden von Sprachen und die Freudenrufe aus buchstäblich allen Teilen des Erdkreises gehört hat, diese polyphone Glaubenssinfonie aus Stimmen und Gebeten, der weiß, dass die katholische Kirche tatsächlich Weltkirche ist und nur durch den Einzelnen an der Spitze sicher durch die Zeiten geführt werden kann. Und nicht durch eine proporzbesetzte Kommission mit Klarsichthüllen und Aktenordnern.
    Die Mitgliederzahlen der katholischen Kirche schrumpfen, das ist richtig. Allerdings nehmen sie bei den demokratischen, liberalen, zeitgeistigen Protestanten noch dramatischer ab als
bei uns, was eindeutig gegen all jene Modernisierungen spricht, die der katholischen Kirche immer wieder vorgeschlagen werden von Werbe-Fachleuten, die sich ansonsten selten in ein Gotteshaus verirren.
    Ein paradoxes Bild: Die Kirchen bluten aus, gleichzeitig steigt die Sehnsucht nach Orientierung, nach Standpunkten, nach Glaubwürdigkeit. Über die eigene religiöse Position redet man – anders als in den USA – in unseren Breiten nicht gerne, das scheint sich nicht zu gehören. In seinem Bestseller Wofür stehst Du? bekennt Giovanni di Lorenzo im vorletzten Kapitel, dass er Katholik sei, das aber als Privatsache behandelt sehen möchte. Warum?
    Sicher, die fröhliche, unkomplizierte religiöse Rauf bold-Welt von Don Camillo und Peppone ist endgültig dahin. Zwar gibt es Peppones ungläubige KP mit den Stalinporträts nicht mehr, aber auch Don Camillos Glaubenswelt existiert nicht länger, in der er vor dem Gekreuzigten steht und zu ihm aufschaut wie zu einem guten Freund und immer mal wieder von dessen sanfter Stimme auf den Weg der Tugend zurückgeholt wird. Denn Don Camillo stürzt sich gern in eine Prügelei für seinen Glauben. Allerdings gibt es auch das nicht mehr. Glaubensstreit mündet heutzutage gleich in Dynamit, Terror und globale Vernichtungsfantasien.
    Dennoch, wenn ich mir die Verzerrungen und Gehässigkeiten gegen die Kirche in unserem Medienzirkus anschaue, kann ich mir vorstellen, wie Don Camillo in seiner Dorfkirche vor dem Kreuz zu beten: Lieber Herr, Du bist groß und allmächtig und allwissend, können wir nicht bitte dem oder dem mal aufs Maul hauen, ab und zu mal Tische umstürzen in den Tempeln unserer Tage, den Fernsehstudios, natürlich NUR IN WORTEN!, Händler hinausjagen, dem Zerstreuungs-Schwachsinn unserer Tage genauso den Kampf ansagen wie der alles überlagernden Geldgier?
    Haben wir nicht gebüßt für unsere Schuld? Die schrecklichen Missbrauchsfälle der 50er, 70er und 80er Jahre werden gesühnt,
langsam zwar, aber stetig und konsequent. Sie sind nicht die einzigen, aber in unserem Laden, da hat der Papst recht, ist es besonders verwerflich, denn wir sollten mit leuchtendem Beispiel vorangehen.
    Doch das andere, das uns in jeder zweiten Talkshow von blondierten Kabarettnudeln und sozial engagierten Tatort-Kommissaren und grünen KirchenkritikerInnen zur Neuvorlage hingelegt wird, die Kreuzzüge nämlich, die liegen tausend Jahre zurück. Und jetzt mal unter uns, Herr, im Ernst, es waren doch zuerst die Muslime, die Jerusalem und die heiligen Stätten erobert hatten mit ihren Krummsäbeln, Du bist Zeuge, und im Übrigen, warum wird

Weitere Kostenlose Bücher