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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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gehabt habe. Gut, dass das mal klargestellt wurde und damit jeder Zweifel daran ausgeräumt, dass er als Hausherr der Moschee eventuell das mörderische Attentat vom 11. September gutheißen könnte.
    Aber zurück zu mir und meinem katholischen Gemüt. Zurück in die 50er Jahre, als der Katholizismus eine Volksreligion war.
    Eine katholische Education sentimentale
    Ich war das Jesuskind. Ich lag in einem Korb. Ich spürte Stroh. In jenen Tagen lag ein Glanz über uns, denn Deutschland war Fußballweltmeister gewonnen. Ich lag nicht in einem Stall, sondern einer schon ganz properen Zwei-Zimmer-Nachkriegs-Wohnung
in Münster, der rabenschwarzen Bistumsstadt. Der Katholizismus war Leitkultur, die Auflage des Rheinischen Merkur lag bei 200 000, und ich war einige Monate alt und bekam von all dem nichts mit. Aber vom Lichterglanz, von Wärme, von Feierlichkeit.
    Zurück zum Kind in der Krippe. Denn das war meine Rolle als Neuankömmling in unserer an Kindern gesegneten Familie. Die beiden älteren Brüder waren Josef und Maria, der dritte spielte einen Hirten und hatte mit Ochs und Esel und offensichtlich Hunderten von Schafen alle Hände voll zu tun. Zwei Jahre später war ich eines der Schafe, weil mein jüngerer Bruder die Titelrolle erhalten hatte, völlig unverdient, denn er hatte bis dahin nichts weiter geleistet als blöde herumzuliegen. Hätte er nicht wenigstens die nächste Weltmeisterschaft schon mal vorbereiten können?
    Unsere Kindheit war vom Kirchenkalender bestimmt und vom Fußball. Und vom Gebet. Wir beteten zu Tisch. Wir beteten abends den Rosenkranz. Dabei knieten wir vor unserem Hausaltar, der aus Kreuz, Madonna, Kerze und einem Triptychon des Niederländers Dieric Bouts bestand: eine Anbetungsszene in der Mitte, links Johannes der Täufer mit einem Lamm, rechts Christophorus, der durch einen reißenden Strom schreitet, den kleinen Jesus auf den Schultern, segnend. Ich fand es waghalsig. Dann wiederum machte Christophorus einen vertrauenerweckend robusten Eindruck.

    In der Zeit zwischen den Gebeten spielten wir Fußball in unserem Garten, jetzt in Oberhausen-Osterfeld. Er lag in der Nähe einer Zeche, was an Tagen, an denen der Wind schlecht stand, dazu führte, dass meine Mutter die zum Trocknen aufgehängte Wäsche noch einmal waschen musste, und zwar mit Hilfe eines großen anzuheizenden Bottichs und eines Rührprügels.
Wenn sie nicht gerade von der Anstrengung erhitzt den Knüppel in der Hand hielt, sah sie der heiligen Maria sehr ähnlich.
    Ich half ihr beim Aufwickeln der Wolle, nachdem wir zuvor alte Pullover aufgeribbelt hatten. Daraus wurden dann neue gestrickt auf einer dieser praktischen Nachkriegs-Wiederaufbau-Strickmaschinen. Der Ehrgeiz war, alle fünf Söhne zu Weihnachten mit einer jeweils neuen Pullover-Kreation zu beschenken. Wobei das jeweils Neue dadurch auftrumpfte, dass es gleich in fünffacher Ausführung vorlag, also wiederum zur Uniform wurde. Das, so lernte ich später, soll durchaus praktisch sein bei Katastrophen: Der Clan findet sich schneller wieder, und nur wenn er zusammenbleibt, hat er Chancen, durchzukommen.
    Frank Schirrmacher hat ein überzeugendes Buch darüber geschrieben, mit dem Titel Minimum . Ich stellte es im SPIEGEL in einer Titelgeschichte vor, und in der redaktionellen Hausmitteilung zeigte die Redaktion ein Foto aus den Tagen unseres Rudels mit identischen Pullovern. Der Zeitschrift Emma genügte ein Blick darauf, um sich sofort zu einem mitfühlenden Editorial aufgerufen zu sehen, der arme Kleine da, der Zweite von rechts. Was musste er ertragen!

    Ach nee, Emma, eigentlich war es schön. Es gab zwar immer nur Eintopf und Rote Beete, aber meine Mutter war eine wunderbare Vorleserin. Und überhaupt: Freitags gab es Fisch und an manchen Feiertagen Schweinebraten mit Klößen. Vor allem aber gab es viel Liebe und Anregung und Spiel, und wenn wir uns zwischendurch die Köpfe einschlugen, hieß das noch lange nicht, dass wir uns nicht liebten.
    Ich kann nicht garantieren, dass ich beim Beten des Rosenkranzes kniend vor dem Hausaltar immer voll bei der Sache war, besonders bei »HeiljeMariamuttergottes bittefürunsSünder jetzuninnerStundeunseresTodes Amen« schwenkte
ich weg, denn klar war ich Sünder, aber die Stunde meines Todes schien mir noch lange hin. Zunächst galt es für das Nahziel zu beten, für die nächste WM oder Spiele von RotWeiß Oberhausen.
    Wir beteten zu allen möglichen Anlässen. Vor Reisen zum heiligen Christophorus. Beim Verlust von

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