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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Schlüsseln oder Portemonnaies zum heiligen Antonius. Einst verlor mein Vater im Urlaub die Brille im Meer. Wir versammelten uns zum Antonius-Gebet am Strand. Danach ging er wieder in die Wellen, griff in die braune Brühe und hielt die Brille in der Hand. Ein Wunder, und ich war dabei!

    Natürlich holten wir uns den Blasius-Segen ab, der gegen Fischgräten im Hals gut war, ein äußerst spannender Segen, denn dabei wurden zwei Kerzen vor dem Hals gekreuzt. Wenn dann in den Heiligenlitaneien Hundertschaften an meistens obskuren lateinischen und altdeutschen Namen Revue passierten, gab es doch immer auch großes Hallo und Wiedersehensfreude mit Heiligen-Bekannten aus unserem Alltag.
    Der Besuch der Sonntagsmesse wurde vorbereitet wie ein feierlicher Opernbesuch. Eigentlich begann es schon am Samstag, mit der Badewanne und der Beichte. Sonntags dann die Galakleidung. Lange Hose, weißes Hemd, spannend, man sah darin aus wie die Großen. Die Sonntagsmesse war so selbstverständlich Pflicht wie die zahlreichen Marienandachten. Natürlich nahmen wir an den Fronleichnamsprozessionen teil und streuten Blumen vor den Altären aus und trugen das Kreuz durch Straßen und Wege und Fluren und Auen, sofern es in die Ferienzeit fiel.

    Die Osternächte waren im Kerzenlicht erstrahlende festliche Höhepunkte. Wie geheimnisvoll das »Lumen Cristi« in der noch dunklen Kirche, dann weitere Kerzen, schließlich ein funkelndes Kerzenmeer.
In Mexiko habe ich, Jahrzehnte später, die Osternacht mit Feuerwerk und Krachern in der Kirche erlebt: Die Gläubigen freuten sich lärmend, dass Christus erstanden war, sie freuten sich über ihr eigenes Leben wie Kinder, wie ich mich freute, und die Kracher dienten auch dazu, die finsteren Geister und Dämonen zu vertreiben, die sich in den Schatten der Gewölbe verborgen hielten, denn Glaube und Aberglaube sind oft nicht weit voneinander entfernt.
    Am Ostersonntag, nach dem Hochamt, segneten wir unsere Wohnung ein. Wir Kinder trugen Kerzen, Vater marschierte mit einer Weihwasser-Amphore hinterher. Später, als wir einen Fernseher hatten, knieten wir uns davor, um den Papst-Segen »Urbi et Orbi« zu empfangen, der einen kompletten Erlass der Sündenstrafe bewirkte, auch vor dem Fernseher!
    Versunkene Welt. Man kann sie nur mit Verwunderung schildern. Was sie einem Psychologen womöglich erzählt, ist: Religionsvergiftung erschwerten Grades. Was sie mir erzählt, ist, dass ich eine glückliche und beschirmte Kindheit hatte. Es gab tatsächlich einen lieben Gott, aber auch einen strengen, der alles sieht. (Was später in der Pubertät irgendwann lästig war, denn man wollte ja auch mal allein sein.) Es gab Schutzengel, die auf mich aufpassten. Es gab Gut und Böse, es gab die Madonna, die der Schlange den Kopf zertritt. Dieser Kinderglaube hat ein Reservoir angelegt wie einen unterirdischen See. Der mochte im Laufe des Lebens teilweise verschüttet werden, doch er war stets da.

    Kürzlich wurde ich auf einem Seminar gefragt, ob sich mein Gottesbild im Laufe der Jahre gewandelt habe. Einer der anwesenden evangelischen Pastoren hatte das Buch Gott 9.0 in der Hand gehabt, in dem den Gottesbildern Farben und Stufen zugeordnet werden, von Beige über Blau bis hin zu Türkis, von der Mutterbrust über den Schöpfergott (mit Jesus als Gottessohn) bis hin zu Gott als »Geist« und »pulsierender Prozess«
samt einem »kosmischen Christus«, der ein »musterbildendes Fraktal im Universum« ist. Ich musste mir (und den anderen) eingestehen, dass ich bei Blau, also ziemlich weit unten, hängen geblieben bin. Bei meinem Kindheitsglauben. Aber ich bin in guter Gesellschaft. Es ist wohl so, wie der große katholische Philosoph Spaemann sagte: Für ihn war da der Glaube der Kindheit, und all das spätere Nachdenken bedeutete nur, dass dieser Glaube vertieft und befestigt wurde.
    Meine religiöse Kindheit war anregend, abenteuerlich, theaterhaft. Unsere Rollenmodelle waren die Heiligen. Ich war stolz auf meinen Namenspatron, den Apostel Matthias, der für den Verräter Judas aufgenommen wurde. Matthias wurde später, in Trier, von einem römischen Legionär enthauptet. Wie romantisch. »Du wirst später entweder Verbrecher oder Heiliger«, sagte mein Vater zu mir. Ich konnte mich lange nicht entscheiden, beides schien reizvoll zu sein. Im Übrigen gab es genug Verbrecher (und Christenverfolger), die zu Heiligen wurden. Abenteurer waren sie alle. Da war zum Beispiel Johannes der Täufer, der bekanntermaßen in der

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