Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
kam etwas Leben in ihr Gesicht. „Erzähl! Hast du ihn getroffen? Wie sah er denn nun aus, der tolle Laszlo?“
Erleichtert plapperten Elaine und Hanna drauf los. Immerhin interessierte Lisa sich noch für Klatsch und Tratsch und ließ sich ablenken. Alles würde gut werden.
***
„Ich mache heute den Nachtdienst. Ich bin die Schwester Heike. Brauchen Sie etwas für die Nacht?“
„Nein, danke. Ich kann sowieso nicht schlafen und Ihre Schlaftabletten hier sind ein Witz.“
„Na, na, na, wir wollen ja schließlich nicht, dass uns dasselbe wie neulich passiert, oder?“, schimpfte Schwester Heike.
„Ich weiß ja nicht, was Ihnen passiert ist, aber mir wäre es nur recht. Außerdem heißt es das Gleiche. Nacht.“
Der zweite Tag im Krankenhaus und Lisa war schon über den Berg. Auch eine Art von Therapie, dachte sie sich. Einen Psychologen hatte sie noch nicht zu Gesicht bekommen, aber sie war eigentlich auch froh darüber. Was sollte so ein weltfremder Konfliktvermeider ihr schon erzählen? Lisa schaute mit großen Augen in die Dunkelheit. Ganz dunkel war es allerdings nicht. Die Gardinen bestanden aus löchrigen Lappen, mit denen Lisa noch nicht einmal putzen würde, geschweige denn vor das Fenster hängen. Durch den Spalt zwischen Zimmertür und Boden drang Licht aus dem Flur. Es wurde leiser auf dem Gang und Lisa legte sich auf die Seite, mit dem Gesicht zur Tür.
Manchmal sah sie draußen Füße vorbeigehen, aber die meiste Zeit war der helle Spalt durchgehend. Lisa wurde schläfrig, sie nickte ein. Ein Geräusch ließ sie kurze Zeit später aufschrecken. Hier hörte sich alles so fremd an, dass sie es nicht zuordnen konnte. Angst kroch ihr den Nacken hoch, sie blickte sich hektisch im Zimmer um. Vor der Tür stand jemand. Die Füße bewegten sich nicht. Vielleicht ein Patient, der sich nur die Beine vertrat. Oder eine Schwester, die heimlich eine Pause machte. Lisas Atem ging schneller, zum Klingeln fehlte ihr der Mut. Sie fühlte sich wie ein Kaninchen vor der Schlange – einfach nur eingefroren.
Langsam öffnete die Tür sich einen Spalt. Bloß keinen Mucks machen, das war bestimmt nur Nachtschwester Heike, die schauen wollte, ob alles in Ordnung war. Lisa kniff die Augen zusammen, sodass sie nur noch ganz wenig erkennen konnte. Die Tür öffnete sich noch ein Stückchen mehr, Lisa sah eine große Hand an der Klinke und im Lichtkegel von draußen diese Augen. Es waren die gleichen Augen, die auch daheim auf sie gerichtet waren. Das war keine Krankenschwester, das war ein Mann! Lisa machte die Augen zu und hielt die Luft an. Als sie wieder guckte, waren die Tür geschlossen und die Füße weg.
Sie drückte auf den roten Knopf, doch es dauerte wie üblich ewig, bis eine Schwester aufkreuzte. Weder wagte Lisa, das Licht anzuschalten noch sich zu bewegen. Jemand war hinter ihr her, sie war sich absolut sicher. Endlich riss Schwester Heike die Tür auf und schaltete das Licht an.
„Na, was haben wir denn?“
„Hier war einer! Ein Mann! Erst stand er vor meiner Tür herum und dann hat er minutenlang reingeglotzt! Ich bin vor Angst fast gestorben! Kann hier jeder einfach so reinmarschieren? Vielleicht ist ja noch ein Typ da irgendwo – können Sie mal gucken?“
„Ich gebe Ihnen ein Beruhigungsmittel, Frau Suhrhoff.“ Auf einmal war Schwester Heikes Stimme ganz weich. „Gleich bin ich wieder da, ich muss nur schnell schauen, was ich Ihnen geben darf. Ich lass die Tür offen und wenn Sie sich fürchten, rufen Sie einfach laut. Wir sind ja drüben im Schwesternzimmer. Okay?“
„Hm“, weinte Lisa, „aber ich brauche eigentlich gar keine Medizin. Können Sie bitte gucken, ob da noch jemand ist? Hier war wirklich einer! Zu Hause werde ich ja auch ständig beobachtet, verstehen Sie?“
„Sicher verstehe ich das. Morgen kommt auch endlich der Psychologe. Er war krank, darum verzögert sich das dann alles. Das ist hier überall so, wissen Sie, Pflegenotstand, Ärztemangel, keine Therapeuten. Ein Jammer, gerade wenn man wirklich mal Hilfe benötigt. Ich bin gleich wieder da und dann geht es Ihnen in einer halben Stunde schon besser.“
Lisa gab es auf. Die Schwester würde ihr ohnehin nicht glauben und nur weiter ihr medizinisches Halbwissen herunter beten. Und Klagen über schlechte Zustände wollte sie sich auch nicht anhören, ihre Zustände reichten ihr vollkommen. Sie kroch noch tiefer unter ihre Decke und ließ sich zwei kleine Tabletten geben. Irgendwann in den Morgenstunden schlief sie
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